Gewalt in den Medien: Zwischen Ballerspiel und Tatort

15.6.2016, 11:00 Uhr
Gewalt in den Medien: Zwischen Ballerspiel und Tatort

© dpa

Es ging um Fragen, die sich viele Eltern stellen: Verlieren sich unsere Kinder in virtuellen Welten, die immer realer wirken? Welchen Schaden richten gewaltverherrlichende Spiele, Musik, Filme oder auch die täglichen Horrormeldungen in den Nachrichten an? Ahmen die Kinder womöglich nach, was sie dort sehen? Und: Machen elektronische Medien die Jugend wirklich „dumm, dick und delinquent“, wie HLG-Schulpsychologe Daniel Kopp provokant auf dem Podium meinte?

Schulkinder können sehr wohl zwischen Realität und Fiktion unterscheiden, sagt die Forschung. Ein direkter Zusammenhang zwischen „Killerspielen“ und realer Gewalt lasse sich jedenfalls nicht nachweisen, betonte Thomas Zapf, Lehrer und Medienpädagogischer Berater, im Lauf der Diskussion, die FN-Redakteur Johannes Alles moderierte.

Auch jugendliche Intensivtäter ziehen ihre Aggressivität und ihr kriminelles Verhalten nicht aus Filmen oder Videospielen, sondern aus ihrem Umfeld, also von ganz realen Vorbildern. So sieht es auch Kriminalhauptkommissar Karlheinz Machowetz: „Kinder, die Gewalt in der Familie mitbekommen, tragen das weiter.“ Jugendkriminalität und Gewalt nehmen zwar ab, die Brutalität in Einzelfällen aber zu. Ob das mit Medien zu tun habe, sei schwer messbar, allerdings sehen Jugendliche genau diese Brutalität oft in gängigen Krimis wie dem „Tatort“, oder sie erleben sie in Spielen wie dem populären „Grand Theft Auto“ (GTA), in dem der Spieler eine Karriere als Gangster durchläuft.

Ob jemand mit der extremen Gewalt in diesem oder auch anderen Spielen zurechtkommt, hängt nicht nur vom Alter ab, sondern vor allem von der individuellen Reife des Spielers, sagte Oliver Graf, Gamer und Händler für Videospiele. Erwiesen sei, dass die Empathiefähigkeit mit dem Zocken solcher Spiele sinkt, angeblich aber nur für kurze Zeit. Trotzdem kann man sich fragen, worin das Vergnügen besteht, Zombies abzuschlachten oder in GTA mit Drogen zu handeln und Fußgänger zu überfahren. Dass dies „entspannt“, weil man sich abreagieren könne, wie manche Spieler es behaupten, sei nicht erwiesen.

Grenzen überschreiten

Hannah Bolz, Medienpädagogin von der Uni Erlangen-Nürnberg, sieht einen anderen Reiz: In den Spielen geht es oft um Macht. Wer in diese Welten eintaucht, bewegt sich in Räumen, in denen die eigenen Handlungen nicht von Dritten sanktioniert werden. Diese Räume gehen unseren Kindern laut Bolz in der realen Welt immer mehr verloren. Ein Beispiel: Der Radius, den Kinder heute rund um ihr Zuhause bespielen und erkunden, ist binnen einer Generation von mehr als einem Kilometer auf durchschnittlich 400 Meter geschrumpft.

Die digitalen Welten werden dafür zum Ort, wo man sich unbeobachtet ausleben und experimentieren darf, wo man Grenzen überschreiten kann. Gefährlich ist nach Ansicht der Experten dabei erst die „doppelte Dosis“: Massive soziale und familiäre Probleme, verbunden mit dauerndem Medienkonsum und destruktiven medialen Vorbildern.

Niemand braucht daher grundsätzlich beunruhigt zu sein, wenn Kinder und Jugendliche gewalthaltige Filme oder Spiele spannend finden oder sogar nachstellen. Viel bedeutendere Vorbilder seien die eigenen Eltern und deren Art, Konflikte zu lösen.

Restriktiv zu reagieren oder Medienkonsum ganz zu verbieten, hilft wenig, so die Experten. Ganz sei der Gewalt in den Medien heute ohnehin kaum zu entkommen. Das fängt mit den Nachrichten an und hört bei Videos von echten Erschießungen auf, die auf Internetplattformen wie Youtube zu sehen sind und sehr reale Ängste auslösen können.

Eltern sollten sich damit beschäftigen, was ihre Kinder in digitalen Welten tun und als vertrauensvolle Gesprächspartner bereitstehen, falls der Nachwuchs dort doch einmal etwas Verstörendes erleben sollte. „Medienerziehung ist ein Teil der ganz normalen Erziehung“, sagte Hannah Bolz, und Thomas Zapf ergänzte: Eltern sollten mit ihren Kindern klare Regeln zum Medienkonsum erarbeiten – vor allem zur Dauer.

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