Goldenes Vlies wird zum Feudel

15.5.2014, 13:00 Uhr
Goldenes Vlies wird zum Feudel

© Horst Linke

Ssage keiner, nach einem Rundgang durch diese räumlich vielleicht nicht üppige, aber im großen Maßstab gedachte Schau sei sein Denken und Fühlen nicht vom Erblickten infiltriert. Wicky Reindl vergeudet keinen Moment mit Geplänkel. Sie konfrontiert den Eintretenden umgehend mit einer Fotoserie, die in diesem Jahr entstand und nicht weniger ist als eine nachdrückliche und durchdachte Stellungnahme zu ihrem gewählten Thema: Invasion.

Fünf beinahe quadratische Aufnahmen zeigen Kopf und Schultern eines Menschen, der bis zum Hals in Bandagen gewickelt ist. In diesen hermetischen Kokon dringen lediglich an wechselnden Stellen Schläuche ein, die einen Austausch zwischen der verpuppten Kreatur und der Außenwelt zu ermöglichen scheinen. Was auch immer hier ein- oder vielleicht abgeleitet wird, bleibt verborgen. Eindeutiger sind die darunter angebrachten Austritte ähnlicher Versorgungsschläuche, die Reindl aus rotem Plastilin formte. Sie enden im Nichts.

Das erscheint vage genug und lässt doch das große Kopfkino anlaufen wie frisch geölt. Die Künstlerin, die 1958 in Bamberg geboren wurde und an der Nürnberger Akademie studierte, liebt und beherrscht dieses Spiel. Ihr Kanon ist der einer bildungsbürgerlich geprägten Erziehung mit schweren Nachwehen einer katholischen Prägung. Im Zentrum ihrer Arbeit steht hier die Konfrontation mit dem Frausein, mit klassischen Rollenbildern und typischem Verhalten.

Zum Symbol für diese Auseinandersetzung wird das Goldene Vlies. In der griechischen Mythologie steht dieser Name für das Fell eines goldenen Widders, der zum Dank für seinen Einsatz im Tempel des Zeus geopfert wurde. Danach raubten Jason und die Argonauten mit Medeas Hilfe das edle Stück. Bei Reindl wird das Vlies zum Feudel, mit dem die unermüdliche Hausfrau in der Kittelschürze putzt und poliert.

In Zirndorf taucht dieses Motiv in 21 kleinformatigen Collagen auf, in denen ein weibliches Wesen dank Schürze und Wischlappen zur Hohepriesterin eines erbarmungslos scheinenden Reinlichkeitskultes mutiert. Gepaart sind die ausgeschnittenen und neu zusammengefügten Fotografien immer wieder mit heiteren Werbefiguren aus den 50er Jahren. Ein Effekt, der, wie in vielen Arbeiten Reindls, Humor als Katalysator einbringt.

Riesiger BH

Noch prägnanter ist die subtil vorgeführte Erotik. Ein Paar Gummihandschuhe wird mühelos zum vertrauten Fetisch. Es sind Motive, die unter anderem auch in den beiden überlebensgroßen Fotodrucken dominieren, die den Besucher beim Eintritt geradezu anspringen und die den Titel „2 Aliens“ tragen. Diese weiblichen Gestalten – Modell stand jeweils die Künstlerin selbst – haben die Kittelschürze wie ein Hoheitszeichen angelegt, während die eine von ihnen dank eines riesigen Büstenhalters über den Augen zu einer Art Bienenkönigin wird.

Es ist ein kraftvolles Frauenbild, das Wicky Reindl hier auflegt. Die Vertreterinnen dieses Typs tragen die Male femininer Eingrenzung und Reduzierung. Ihre Botschaft ist diffizil, aber vernehmlich: Die Invasion all dessen, was ein weibliches Leben hindern und bremsen mag, muss nicht länger zwangsläufig erfolgreich sein.

Eine starke These, eine starke Schau.

Siehe auch „Fürther Kunststücke“ auf dieser Seite.

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