Gratwanderung mit vielfältigen Aussichten

12.1.2012, 13:00 Uhr
Gratwanderung mit vielfältigen Aussichten

© Günter Distler

Vielleicht hungert ja auch er sich bald in eine XS-Kleidergröße hinein, wer weiß. Verbal jedenfalls hat Hans-Peter Miksch längst zu dem etwas bekannteren und etwas gockeligeren Karl Lagerfeld aufgeschlossenen, einen übrigens hochintelligenten, jederzeit zur geistreichen rhetorischen Schnappatmung fähigen Mitmenschen.

Vielleicht eint beide ja das gewisse LMAA-Gefühl, weil beide stets nach Dingen gefragt werden, über die sie eigentlich gar nichts sagen möchten — und es dann doch tun. Die Pressemeute kann so lästig sein. Schaltet Miksch auf Schnappi-Modus um, dann klingt das so: „Ich bin nicht der, der versucht, auf Teufel komm’ raus Entdeckungen zu machen. Ich zeige lieber Dinge, die eine unbestreitbare Qualität haben.“ Und: „Warum muss ich den Anspruch haben, etwas Neues zu entdecken? Das Publikum kennt so viel Bekanntes nicht.“ Ausrufezeichen.

Gute Freunde

Die „unbestreitbare Qualität“ des Hauses am Königsplatz hätte vor eineinviertel Jahren beinahe überhaupt nichts genutzt, als die Stadt im Sparzwang schon die Totenglöcklein für Bayerns kleinste kommunale Kunsthalle zu polieren begann. Doch gute Freunde muss man haben; Freunde namens Förderkreis und eine Kulturreferentin, die seinerzeit mitdemonstrierte gegen den OB und dessen Schließungspläne.

Im Oktober 2011 schließlich sprach Elisabeth Reichert sinngemäß: Finanziell schlimmer kommt’s nimmer. Den Leitern der Fürther Kulturinstitutionen, darunter auch Miksch, verkündete sie, dass keine weiteren Einschnitte anstünden. Das Kunstgaleriejahr 2012, das an diesem Sonntag startet, charakterisiert der Galeriechef als „Versuch einer Gratwanderung, optimale Inhalte sparsam zu realisieren. Es ist keine Ausstellung darunter, von der ich sagen würde, dass sie ein finanzielles Risiko darstellt.“ Hinter Miksch und seinem Mini-Team liegt ein Jahr, „mit dem wir zufrieden sein können, wenngleich die Zuwachsraten zu Ende sind“. Soll heißen: knapp 7000 Besucher. Der jährlich zuverlässige Run vor allem von Schulklassen ist abgeflacht; am Königsplatz merkt man, dass nun auch das neue Stadtmuseum den Nachwuchs umwirbt.

Ein deftiger Flop indessen war Miksch zufolge keine der sieben Ausstellungen. Gewiss, es gebe jahreszeitliche Schwankungen. Aber Kompromisse der faulen Art zugunsten lauter klingelnder Kassen? Nicht mit Hans-Peter Miksch, hier nochmal im Lagerfeld’schen Schnappi-Modus und mit süffisanten Grüßen Richtung Hallplatz: „Ich bin nicht bereit, ein Jahr unter ein fragwürdiges Motto zu stellen.“ Halt, er ist noch nicht fertig: „Wir haben den gleichen Input wie das Stadttheater, nur mit weniger Personal.“ Was er nicht sagt, ist: Wäre schön, wenn das endlich mal einer honorieren würde.

Stimmt, zumal das neue Jahr mit einem höchst prominenten Künstler beginnt. Aus Peter Mathars üppiger Dürener Privatsammlung hat Miksch 90 Papierarbeiten des 2004 verstorbenen Wolfgang Mattheuer ausgewählt. Mit Werner Tübke und Bernhard Heisig bildete der Vogtländer das Dreigestirn der großen DDR-Maler. „Nachweislich der Unbelastetste der drei“ (Miksch), ließ Mattheuer sich dennoch überreden, ein Bild für den Palast der Republik zu fertigen, fand aber nach der Wiedervereinigung ungebrochen Anschluss an die Kunstszene West. Die Eröffnung der Schau „Solange die Sonnen noch nicht im Schwarzen ersaufen...“ (bis 4. März) ist an diesem Sonntag um 11 Uhr.

Runder Frühling

Fünf Wochen lang ist die Kunst rund und widmet sich einer in früheren Epochen beliebten Bildgattung: Tondi, runde Gemälde und Reliefs, stehen vom 23. März bis 29. April im Mittelpunkt.

Er ist einer der wichtigsten fränkischen Bildhauer, sie kreiert mit bildhauerischem Gestus keramische Wunderwerke: Dem Schweinfurter Ehepaar Heike und Norbert Kleinlein liegt die kunst galerie fürth ab 11. Mai zu Füßen. Sabine Richter wiederum lebt und arbeitet in Nürnberg. Die Bekanntschaft mit Bauhaus-Schüler Rudolf Ortner führte sie vor über 15 Jahren zur konkreten Fotografie — deren Kennzeichen: Personen und Gegenstände abzubilden ist weniger interessant als die Fotografie als auf sich selbst bezogenes Objekt (29. Juni bis 5. August).

Als „Magnet für Hirn und Auge“ charakterisierte ein Magazin die tragbaren Modeskulpturen der Nürnberger Akademiepreisträgerin Olga von Moorende. Die Attribute „flippig“ und „ausgefallen“ begleiten das Werk der in Kleinsendelbach lebenden Künstlerin. „Eine fröhliche, bunte Ausstellung“ verspricht Miksch (16. September bis 28. Oktober).

Auf das Galeriefest zum zehnjährigen Jubiläum am 11. November folgt am 23. November (bis 23. Dezember) ein Versuch mit höchstwahrscheinlich beschwingtem Ergebnis: Aus den (gekauften, nicht selbstgemachten) Lieblings-Kunstwerken der Mitglieder des erfrischend inhomogenen Galerie-Förderkreises stellt Gratwanderer Miksch die Schau „Private Property“ zusammen. „Wir wollen einmal sehen, mit welcher Kunst die Menschen, die unsere Existenz unterstützen, leben.“ Die kunst galerie fürth als Wohnzimmer auf Zeit — interessante Aussichten.

 

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