Großes Orchester auf Tauchstation

5.1.2015, 11:30 Uhr
Großes Orchester auf Tauchstation

© Foto: Edgar Pfrogner

Hau bloß ab, du altes, ausgedientes Jahr, jetzt komme ich, 2015! Prunkend, protzig, auftrumpfend: Mit solchen Klängen tritt das neue Jahr die Tür ein und bestimmt, wo es lang geht. „Music for a Solemnity“, also „Musik für eine Festlichkeit“ war der erste Titel des Neujahrskonzerts überschrieben. Indes klang es eher nach dem Einmarsch der Gladiatoren aus einem Hollywoodfilm. Allerdings weniger nach den Fünfziger-Jahre- Epen eines Miklos Rosza, sondern nach einem Aufguss derselben. In der Tat eifert der Komponist Jan de Haan dem Bombast von Steven Spielbergs Hauskomponisten John Williams nach.

Überhaupt stand das Neujahrskonzert ganz im Zeichen der Filmmusik. „Moment for Morricone“ vereint Motive aus den Italowestern „Spiel mir das Lied vom Tod“, eingeklammert von der Titelmelodie der „Zwei glorreichen Halunken“. Eine seltsame Mischung: episch-dramatische Themen mischen sich da mit derb humoresken Weisen, und auch das Geläut der Friedhofsglocke darf nicht fehlen.

Zu Holz und Blech gesellen sich Synthesizer, Elektrobass und Echolot, wenn „Das Boot“ — nach Klaus Doldinger — auf Tauchfahrt geht. Und wenn „Die glorreichen Sieben“ unter Steffen Schuberts Dirigat zum Horizont reiten, lassen sie glatt vergessen, dass Elmer Bernsteins Komposition bereits hundertfach durch die Zigarettenreklame abgenudelt worden war. Dramatisch auch die „Carmen-Suite“ nach Motiven aus Georges Bizets Oper. Freilich, hier klang der Stierkampf eher nach Almauftrieb und beim lyrischen Intermezzo geriet die Stadtkapelle hörbar ins Schlingern.

Eigentlicher Höhepunkt war George Gershwins „Rhapsody in Blue“ mit Gaststar Bernhard Honigmann am Klavier, der sich tapfer durch die vertrackt-improvisatorisch anmutende Komposition kämpfte. Die optische Präsentation zeugte indes von unfreiwilliger Komik. Statt eines Flügels (der durchaus vorhanden war) schob man ein Klavier auf die Bühne. Der besseren Akustik wegen war die Rückseite des Instruments dem Publikum zugekehrt, sodass der Pianist komplett hinter dem Klavier verschwand.

Solch Missgeschick konnte dem Tanzpaar des TSC Rot-Gold-Casino Nürnberg nicht widerfahren. Immer wenn der filmisch-opereske Bombast den Abend zu erschlagen drohte, sorgten die Tänzer zu lateinamerikanischen Rhythmen für gepfefferte Auflockerung. Und das gleich viermal an diesem Abend. Eigentlich waren drei Paare vorgesehen, zwei waren wegen Erkrankung ausgefallen. Dafür wirbelte das grazile anwesende Paar zu Rumba, Samba und Cha Cha Cha vor der Bühne, dass es locker für drei reichte. Muskelspiel, Körperbeherrschung und Ausdruck gingen Hand in Hand. Wozu eine „Körperwelten“-Ausstellung besuchen, wenn man die menschliche Anatomie in musikalischer Bewegung bewundern kann? Jedem Anatom dürfte es angesichts dieser Tänze Tränen in die Augen treiben.

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