Großhabersdorf und die Frage des richtigen Schnitts

4.4.2017, 13:00 Uhr
Großhabersdorf und die Frage des richtigen Schnitts

© Foto: Petra Fiedler

Die Goldammer ist schon da. Sie hat auf einem der verbliebenen Büsche Platz genommen und beäugt die Besucher. "Man könnte wirklich meinen, wir haben hier sinnlos abgeholzt", sagt Biologe Dieter Speer und deutet auf die Reste der ehemaligen Wildnis. Tatsächlich sind nur Stümpfe und Sämlinge übrig geblieben. Die Hecke wurde, so der Fachjargon, auf den Stock gesetzt. Speer sagt aber auch: "Kommen Sie im Sommer wieder, dann erkennen Sie den Platz nicht wieder."

Der Biologe arbeitet für den Landschaftspflegeverband Mittelfranken und ist zusammen mit Bauhofchef Andreas Vicedom über die nassen Wiesen gestiefelt. Bei Vincenzenbronn wurden die Hecken so zurückgeschnitten, wie es die Beobachtungen aus jahrzehntelanger Forschung hergeben. Hecken sollen demnach in ihrem Verlauf verschiedene Altersklassen zeigen. Das bedeutet, zirka alle fünf Jahre wird ein Drittel der Heckenlänge abgeholzt.

Dieter Speer und Andreas Vicedom wissen, warum das so am besten für die Natur und ihre Bewohner ist. In jungen Hecken, mit einem Alter von bis zu zehn Jahren, finden sich die meisten Vogelnester, etwa 35 Stück auf 1000 Meter. In älteren Hecken, deren Gehölze um die 20 Jahre alt sind, herrscht die größte Artenvielfalt. Bei alten Hecken (20 bis 50 Jahre) nimmt die Biodiversität wieder leicht ab.

Greift der Mensch bei diesen Gehölzstreifen nicht regulierend ein, dann brechen sie von innen zusammen und dehnen sich an den Seitenrändern aus. Das gefällt dann den Anrainern nicht besonders gut.

Wer der Goldammer eine Heimat geben möchte, sorgt daher für junges Buschwerk, dessen Stämmchen und Äste aus dem Altgras ragen. Der Bluthänfling dagegen liebt den schützenden Weißdorn und die Dorngrasmücke brütet nur in älteren Schlehen. Neuntöter sind auf Ansitze über den Hecken angewiesen. "Deshalb lassen wir gerne die Bäume stehen, von denen aus der Neuntöter auf Jagd geht", verrät Dieter Speer.

Friedrich Biegel, Großhabersdorfs Bürgermeister, sind die Hecken und Bäume, für die die Gemeinde die Verantwortung trägt, ein Anliegen. Da sei einerseits die Natur, die geschützt und unterstützt werden soll, da existierten aber auch anderseits Vorschriften und Gesetze. Der Rathauschef betont, dass man als Verwaltung viele Eingriffe vornehmen müsse, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. "Die Rechtsprechung ist eindeutig", betont Biegel und ergänzt, dass die Gerichte sehr hart vorgingen, wenn der Nachweis über eine ausreichende Pflege nicht erbracht wird.

Großhabersdorf hat inzwischen mit Petra Zalar eine Mitarbeiterin, die sich um das öffentliche Grün kümmert. Sie hat ein Baumkataster angelegt: 1318 Posten mit rund 1500 Bäumen sind darin abrufbar. Ein Klick und Großhabersdorfs Baumfrau hat die Beschreibung: Gattung, Zustand, Größe der Baumscheibe und Umgebungsmaterial. Unter dem Begriff Verkehrserwartung verbirgt sich, wie nah der Baum an der Straße oder am Gehweg steht. Auch den Gesundheitszustand erfährt Zalar.

Die Daten sind Basis ihrer Arbeit am Baum. "Es kann sein, dass ich einmal im Quartal kontrolliere oder auch nur jährlich", erklärt Zalar. Ist der Gesundheitszustand eines Baumes nicht eindeutig auszumachen, kann sogar ein Gutachter bemüht werden. "Das geht aber ganz schön ins Geld", bekennt Friedrich Biegel, der die Kosten der Baumpflege im vergangenen Jahr auf gut 10 000 Euro beziffert.

Letztendlich befinde man sich immer in einem Spannungsfeld, meint Biegel. Den Bürgern versichert er, dass nur Hand angelegt wird, wenn Naturschutzbehörde und Landschaftspflegeverband der Maßnahme zugestimmt haben.

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