Großkarierte Liebesgeschichte

31.1.2015, 14:03 Uhr
Großkarierte Liebesgeschichte

© Foto: Thomas Grünholz

Männer in großkarierten Anzügen haben es schwer. Also jetzt mal aufreißtechnisch betrachtet. Denn, merke, außer vielleicht bei Robert Downey Jr. sieht so ein Outfit ziemlich merkwürdig aus. Oliver Mommsen ist Bob in diesem jungen Stück und trägt Großkariertes, dreiteilig. Helena, gespielt von Tanja Wedhorn, macht ihn an. Daraus folgt glasklar: Mommsen muss mindestens so anziehend wie Downey Jr. sein.

Klingt abgedreht? Ist es auch. Macht aber nichts. Boulevard-Komödien dürfen das. Kein Problem also, dass die Geschichte dieses Vergnügens von federleichter Plausibilität ist. Dafür ist das Ganze schön schlicht: Sie trifft ihn. Dabei würde es bleiben, befänden wir uns in der schönen, neuen Online-Dating-Welt. Da wird schließlich nur gleich und gleich zum perfekten Paar zusammengeführt. Doch hier passt nichts. Und das muss auch so sein, denn sonst gäbe es ja keine Komödie. Was schade wäre um Dialoge, die unversehens zu Beichten werden und sich um vergeigte Chancen, verpatzte Affären und den Mut zum Neuanfang drehen.

Die Leistung der Autoren David Greig und Gordon McIntyre, deren „Stück mit Musik“ 2008 Uraufführung feierte, liegt darin, dass es ihnen gelingt, mit Leichtigkeit und auf erfrischend unkonventionelle Art zu erzählen. Bob und Helena berichten in Rückblenden und Spielszenen von ihrem Kennenlernen. Sie pfeifen auf die Chronik der Ereignisse und erzählen hübsch ironisch, gerne mit vertauschten Rollen.

Mit Sicherheitsreserve

Das funktioniert gut. Folke Braband (Regie) hat das wortreiche Annäherungsgefecht mit Tempo inszeniert. Der Pointentakt ist exakt berechnet, ganz wie es sein muss. Braband geht kein Risiko ein, lässt sogar eine solide Vorsicht walten, wenn er die Verbalattacken dieses im Grund unmöglichen Paares mit dezent gebremstem Schaum in Szene setzt.

Oliver Mommsen und Tanja Wedhorn nehmen diesen Ton energisch auf. Das ist gut gemacht, lässt Erfahrung, aber auch Routine spürbar werden. Wobei Letzteres nicht unbedingt ein Kompliment ist. Die beiden haben miteinander einen Ton gefunden, der passt, auch wenn das gewisse Prickeln sich rar macht. Auf jeden Fall wurden der „Tatort“-Ermittler und die nicht minder TV-erprobte Serien-Heldin schon wiederholt als neues „Bühnen-Traumpaar“ gefeiert.

Kann man mal so stehen lassen. Mommsen, als Kommissar Nils Stedefreund neben Sabine Postel im Bremer „Tatort“ aktiv (und Ururenkel des Literaturnobelpreisträger Theodor Mommsen) und Tanja Wedhorn („Bianca – Wege zum Glück“, „Meine wunderbare Familie“) schenken sich auf der Stadttheaterbühne nichts. Dafür, dass der ominöse Funke zu den Zuschauern zunächst nicht recht überspringen will, kann niemand etwas. Eine Art von Unverträglichkeitsreaktion zwischen dem Stück und dem ein oder anderen im Publikum verhindert offenbar den üblichen, ansteckenden Lach-Rhythmus, der ansonsten nachweislich verzeichnet wird.

Die beiden auf der Bühne geben nicht auf, spielen sich wund und kämpfen mit allen Mitteln um die Stimmung. Kompliment für diesen Einsatz. Am Ende wird aus dem Irrtum einer Sommernacht eine Liebesgeschichte und im Stadttheater wird jetzt doch begeistert applaudiert. Was beweist, dass es mit der Zuneigung wohl manchmal wie mit großkarierten Anzügen ist – man muss sich einfach aneinander gewöhnen.

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