Hauptschule als Auslaufmodell?

23.11.2011, 11:00 Uhr
Hauptschule als Auslaufmodell?

© dpa

Eine Oberschule, das wäre für Markus Braun, Fürths Schulreferenten, schon mal „ein Schritt in die richtige Richtung“. Braun, der selbst Rektor war, hat sich Gedanken gemacht, wohin sich Schulen idealerweise entwickeln sollten, und er kommt zu einem ganz anderen Ergebnis als Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle, der den empfohlenen Abschied von der Hauptschule als einen „kapitalen strategischen Fehler“ der Schwesterpartei kritisiert hat. Die Hauptschule, so Spaenle, sei „Grundgut der Union“.

Braun hängt nicht so sehr an der Hauptschule — oder Mittelschule, wie sie seit einem Jahr heißt — und noch viel weniger an der Trennung der Kinder nach vier Grundschuljahren. Durch diese frühe Sortierung „werden Bildungsbiografien festgeschrieben“ — dem einzelnen Kind und seinem Entwicklungstempo werde man damit nicht gerecht. Braun gehört zu denen, die sich eine längere gemeinsame Schulzeit wünschen.

Die Oberschule könnte in Bayern ein Schritt hin zu einem besseren System sein, glaubt er. In der Oberschule lernen Haupt- und Realschüler nämlich nicht nur unter einem Dach — wie es beim Kooperationsmodell in Langenzenn der Fall ist —, sondern tatsächlich länger gemeinsam. Denkbar sind verschiedene Varianten: etwa ein einheitlicher Unterricht bis zur siebten Klasse, danach könnte es in getrennten Zweigen weitergehen oder mit einer Kombination aus gemeinsamen Fächern und Kursen, in denen die Schüler je nach Leistungsniveau getrennt sind. Am Ende stehen allerdings auch bei der Oberschule unterschiedliche Schulabschlüsse - den Hauptschulabschluss wird es weitergeben, ebenso den Realschulabschluss.

„Beim Kooperationsmodell sind die Schularten weiter getrennt, die Jugendlichen wissen genau, ob sie auf die Haupt- oder die Realschule gehen“, erklärt Braun. „Diese strikte Trennung müssen wir überwinden.“ Schließlich seien Schüler doch häufig „nicht gleich begabt in allen Fächern“. An einer gemeinsamen Einrichtung könnte einer, der etwa in Mathe gut ist, in diesem Fach einen Kurs „auf Realschulniveau“ besuchen.

Dass dem Freistaat gar nichts anderes übrigbleiben wird, als den Weg in Richtung zweigliedriges System einzuschlagen, glaubt Norbert Autenrieth, Leiter der Cadolzburger Mittelschule, der selbst einmal eine Kooperation mit einer Realschule anstrebte und vom Kultusministerium eine Absage bekam. Schon aus pragmatischen Gründen müsse man umdenken: Vielen Hauptschulen, gerade auf dem Land, gehen mehr und mehr Schüler verloren, wegen des demografischen Wandels, aber auch, weil Eltern die Kinder lieber auf angesehenere Bildungsstätten schicken. „Es wird zu teuer, so einen Haufen Schulen zu unterhalten.“ Aus pädagogischer Sicht spreche ohnehin viel für den gemeinsamen Unterricht: „Es gibt genug Untersuchungen, die zeigen, dass Starke und Schwache davon profitieren.“

„Eine Frage der Zeit“ ist eine derart tiefgreifende Veränderung der Bildungslandschaft auch für Günter Schwarz, Leiter der Mittelschule Soldnerstraße, „überfällig“ ist sie für Gerhard Kastl, Chef der Gustav-Schickedanz-Schule. „Bayern wird nicht lange in der Außenseiterposition bleiben können“, meint Schwarz. „Und wie schnell politische Grundüberzeugungen über den Haufen geworfen werden, haben wir ja beim Atomausstieg gesehen.“ Allerdings dürfe eine Reform nicht ohne Konzept durchgezogen werden.

Gerhard Kastl würde am liebsten sofort damit beginnen, seine und die zum Verbund gehörende Hans-Sachs-Mittelschule in Oberschulen umzuwandeln, zumal im Fürther Norden eine Realschule noch fehle. Auch wenn der Antrag auf die Gründung einer solchen Schule in Bayern wenig Chancen auf Verwirklichung hat, würde er sich freuen, wenn die Stadt einen Versuch wagen würde. So könnte Fürth vielleicht später, wenn man im Kultusministerium umdenkt, „in der ersten Reihe dabei sein“.

"Unterschiede wird es immer geben"

Angelika Roth, Leiterin der Realschule Langenzenn, die mit der dortigen Hauptschule kooperiert, indes will die drei Arten unbedingt behalten. Die Durchlässigkeit der Schulen sei jetzt schon „hervorragend“, im bestehenden System finde „jeder entsprechend seinen Begabungen und Neigungen seinen Platz“. „Interessant und positiv“ sei allerdings eine begrenzte Zusammenarbeit, wie in Langenzenn, wo Haupt- und Realschüler beispielsweise gemeinsam an Wahlfächern und Projekten teilnehmen.

Auch Thomas Bedall, Leiter der Fürther Hans-Böckler-Real- und Wirtschaftsschule, ist skeptisch. „Es wird immer Unterschiede zwischen den Schülern geben, da dürfen wir uns keine Illusionen machen“, sagt er. Schon jetzt sei das uneinheitliche Lerntempo ein Problem in den Klassen.

Keine Kommentare