Heimliche Triebkräfte

25.9.2017, 19:00 Uhr
Heimliche Triebkräfte

© Foto: Markus Kohler

"Geschlecht weiblich", die 1999 entwickelte Dialogreihe von Brigitte Döring und Markus Nondorf, stellt jeweils zwei Frauen, ihre Schicksale, ihre Einstellungen, ihre Strategien einander gegenüber. In Dialog Nummer 4 lässt Andrea Gerhard die Ehefrauen zweier deutscher Legenden zu Wort kommen: Christiane von Vulpius und Katharina von Bora.

Außer dem überlebensgroßen Ehemann haben die beiden auch den Skandal gemeinsam: den des Blumenmädchens, das der große Goethe nach Jahren eines "unordentlichen Verhältnisses" zum Entsetzen der braven Weimarer Ehefrauen heiratet, und den des abtrünnigen Mönchs, der eine entlaufene Nonne zur Frau nimmt. Wie lebt es sich mit der Last des berühmten Ehemannes, des Skandals?

Christiane Vulpius wechselt zwischen trotziger Affirmation, Aggression und gelegentlicher Flucht in den Selbstbetrug oder den Weinkrug. Freiheit und Spaß, das sind ihre Schlüsselworte, die Freiheit, zu leben, wie es ihr und "dem Meinigen" passt, der Spaß, den die beiden aneinander haben.

Spröde Stärke

Was die anderen denken, ist ihr egal — sagt sie, aber man glaubt es nicht so recht, wenn sie kurz darauf wieder auf alle anderen Frauen in Weimar schimpft, auf Charlotte vom Stein, auf Schillers Frau, auf die vornehmen Damen, die sich auch nach all den Jahren noch das Maul zerreißen. Es ist eine spröde, ein wenig zerbrechliche Stärke, die Gerhard Goethes Frau zeigen lässt.

Spaß und Freiheit, das sind Begriffe, die man aus Katharina von Boras Mund nicht hört. Die Frau des Reformators ist dafür sowieso zu beschäftigt. Anders als Christiane Vulpius kann sie nicht stillsitzen; läuft umher, schlägt die Bibel auf, kocht, deckt den Tisch, redet ihren Ehemann und die Studenten in seinem Hause immer wieder direkt an.

Korrektiv und Stütze

Der Text von Brigitte Döring nach Christiane Brückner zeigt viel von dem Einfluss, den Katharina auf Luther ausübte, legt ihr immer wieder Luther zugeschriebene Sätze in den Mund, zeigt sie als treibende Kraft im Schwarzen Kloster und auch als Korrektiv und Stütze des oft von Depressionen gequälten Luther.

Wer sich über die Bedeutung Katharina von Boras noch nicht im Klaren war, erfährt hier viel Interessantes, begreift, wie wenig der spätere Luther ohne seine Ehefrau denkbar ist. Wer sich mit dieser starken ehemaligen Nonne bereits auseinandergesetzt hat, für den ist die einseitig positive Darstellung der Lutherin möglicherweise ein wenig zu viel, wird sie doch hier zur lichten Folie eines recht dunkel gezeichneten Martin Luthers.

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