Hilferuf: Immer mehr Bäcker und Metzger kapitulieren

22.9.2017, 06:00 Uhr
Hilferuf: Immer mehr Bäcker und Metzger kapitulieren

© Foto: Martin Gerten/dpa

Aufgeschreckt hat den Metzger-Obermeister Konrad Ammon und seinen Bäcker-Kollegen Karl Gräf das Ergebnis einer Anfrage der SPD-Landtagsfraktion, wonach, wie berichtet, die Zahl der Betriebe bayernweit in den letzten fünf Jahren um knapp 15 Prozent geschrumpft ist. In der Anregung des Wilhermsdorfer SPD-Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, die Meisterausbildung kostenfrei zu machen, um den Weg in die Selbstständigkeit zu erleichtern, sehen Ammon und Gräf keine Lösung des Problems.

Vielmehr müsse die Wirtschaftspolitik vor Ort dafür sorgen, dass alteingesessenen Betrieben nicht von Supermärkten an der Peripherie das Wasser abgegraben wird. "Ich habe es in meiner 16-jährigen Tätigkeit im städtischen Wirtschaftsbeirat erst einmal erlebt, dass dem Ansiedlungswunsch eines Discounters nicht entsprochen wurde", sagt Konrad Ammon. Der Markt sei in der Regel ohnehin schon übersättigt. Auf der Strecke blieben weniger mobile Menschen wie Senioren, die auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen sind.

Dem Einerlei der Massenware hält Karl Gräf die Einzigartigkeit der Handwerksprodukte entgegen. Jeder Betrieb könne in der Regel mit einer besonders hochwertigen Spezialität aufwarten. Dafür müssten Verbraucher sensibilisiert werden, die nur auf den Preis und die Parkplätze schauen.

Als Krux betrachtet es der Bäcker-Obermeister, dass sich viele kleine Handwerksbetriebe keine teure Werbung leisten können. Gräf und Ammon klagen vor diesem Hintergrund über eine zunehmende Entfremdung zwischen Verbrauchern und Herstellern. "Noch nie waren die Lebensmittelkonsumenten weiter von den Produzenten entfernt als heute", sagt Ammon, dem es dabei nicht um Schuldzuweisungen geht.

"Politiker machen es sich zu leicht"

Zu leicht machen es sich nach Ansicht der Obermeister Politiker, die auf die Mechanismen der Marktwirtschaft verweisen, um einzelne Marktteilnehmer aus der Verantwortung zu nehmen. Gräf: "Nur weil uns der Markt die aktuelle Situation beschert hat, heißt das noch lange nicht, dass wir nichts daran ändern könnten." Das richtet sich an die großen Lebensmittelkonzerne und Politiker, die den Rahmen für das Geschäft mit der Nahversorgung gestalten und verantworten. Im Hinblick auf einzelne Supermarkt-Standorte, die einander im brutalen Wettbewerb selbst wieder verdrängen, plädiert Ammon für nachhaltige Lösungen. Die Weichen müssten auf lokaler Ebene bei der Ansiedlungspolitik gestellt werden.

Dass die Verbraucher allein durch bewussten Einkauf den Exitus alteingesessener Betriebe aufhalten können, glaubt der Metzger nicht, der auch als Kreishandwerksmeister fungiert. Es brauche vielmehr ein umfassenderes Problembewusstsein aller an der Marktentwicklung beteiligter Kräfte. Ins Kalkül zieht Ammon schließlich auch die veränderten Ansprüche der Kunden. Auf die Bedürfnisse der zunehmenden Zahl von Single-Haushalten und Senioren müsse reagiert werden.

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