Hofreiter in Fürth: Chlorhuhn? Halb so wild!

22.7.2016, 21:00 Uhr
Hofreiter in Fürth: Chlorhuhn? Halb so wild!

©  Olivier Hoslet (dpa)

Eigentlich darf Anton Hofreiter nicht darüber reden. „Weder mit Mitarbeitern, geschweige denn der Öffentlichkeit“, sagt der Bundestagsfraktionschef der Grünen. Dass er in der voll besetzten Galerie Freibank am Waagplatz doch über TTIP referieren konnte, hat er Greenpeace zu verdanken. Die Pressestelle von Greenpeace Niederlande veröffentlichte im Mai bis dato geheime Dokumente. „Ob das der gleiche Text ist wie das, was ich als Abgeordneter lesen konnte, darf ich nicht sagen“, so Hofreiter. So oder so wird aus dem 46-Jährigen wohl kein Freund des Abkommens werden.

Hofreiter nennt TTIP sowie das europäisch-kanadische CETA, dessen Vertragstext bereits offiziell veröffentlicht wurde, „Deregulierungsabkommen“, gegen die sich nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Kanada erheblicher Widerstand rege. Schwarz und Weiß gebe es in dieser Angelegenheit nicht, weder seien die USA die Bösen noch Deutschland der Gute. So seien zum Beispiel gewisse Grenzwerte bei Kohlekraftwerken in Amerika viel strenger als bei uns. Hofreiter befürchtet aber, dass am Ende „das Schlechteste aus beiden Welten“ im Vertrag stehen werde.

Als Problem stuft er die geplanten Schiedsgerichte ein. Diese nicht-staatlichen Gerichte seien einmal in Ländern mit korrupter Justiz, die das Wirtschaftsleben hemmte, eingeführt worden. „In Deutschland macht das aber keinen Sinn und schwächt die Justiz“, so Hofreiter. Er kritisiert heftig, dass Investoren Staaten vor Gericht zerren könnten. Beispiel: Falls ein Land bestimmte Praktiken wie Fracking verbietet, könnte ein Unternehmen auf potenziell entgangenen Gewinn – indirekte Enteignung genannt – klagen.

Hofreiter in Fürth: Chlorhuhn? Halb so wild!

© Foto: Rödel

Kritisch sieht Hofreiter außerdem die „regulatorische Kooperation“. Dieses Instrument soll relevante Lobbygruppen bereits frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einbinden. „Deutschlands Hauptproblem ist sicher nicht, dass Lobbyisten zu wenig Einfluss haben“, sagt Hofreiter süffisant. Sollte das kommen, könnten wichtige Vorhaben wie die Abschaffung von Plastikverpackungen noch länger dauern.

Hofreiters drittes großes Thema: Aktuell gilt auf EU-Ebene für Umwelt und Gesundheit das Vorsorgeprinzip. Gibt es berechtigte Hinweise, dass ein gesundheitsgefährdendes Produkt auf dem Markt ist, kann es verboten werden. In den USA herrscht das Risikoprinzip vor. Produkte dürfen solange auf dem Markt sein, wie ihre Schädlichkeit unbewiesen ist. „Unternehmen dürfen dort mehr, verursachen sie aber einen Schaden, müssen sie hohe Summen zahlen“, erklärt Hofreiter, der klar die europäische Variante bevorzugt und sie nicht aufgeweicht sehen möchte.

Die Interessen der Konzerne

Im Grunde befürwortet Hofreiter internationale Abkommen, gerade für den Klimaschutz. Er verstehe aber nicht, warum ein internationales Freihandelsabkommen die Wasserversorgung von Kommunen regeln sollte. Auch zum berüchtigten Chlorhuhn hat er eine Meinung: „Halb so wild“. Das amerikanische Chlorbad sei wahrscheinlich nicht gesundheitsschädlich. Notwendig sei die Prozedur nur, weil die Hühner in Massentierhaltung „schlampig gehalten werden“ und verkeimt seien. „Ob man das essen will, ist jedem selbst überlassen.“

TTIP und CETA würden 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum bringen, heißt es. Hofreiter schränkt ein: Die Prognose beziehe sich lediglich auf das Bestfallszenario – und das auch noch auf zehn Jahre. „Das fällt dann schon in den Bereich der statistischen Unschärfe.“ Er verstehe zwar die Interessen der Konzerne, diese könnten aber nicht „unsere Interessen“ sein.

Seit September 2014 sind die CETA-Verhandlungen offiziell abgeschlossen. Ratifiziert, also in Kraft gesetzt, ist CETA immer noch nicht. Das Europaparlament und die Regierungen müssen dem Vertrag zustimmen. Strittig ist, ob er außerdem in jedem einzelnen Mitgliedsstaat ratifiziert werden muss. In Bayern läuft ein Volksbegehren gegen CETA, das Hofreiter unterstützt. Die Verhandlungen zu TTIP sind noch im Gange.

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