Hundeklos und tieffliegende Tauben - das nervt!

26.4.2014, 16:00 Uhr
Hundeklos und tieffliegende Tauben - das nervt!

© Hans-Joachim Winckler

Die Brüder Grimm, ja, die mit den Märchen, begannen mit einem Mammutwerk, das schließlich auf mehr als dreißig Bände anschwoll: Ihr „Deutsches Wörterbuch“ listet selbstverständlich auch das schöne Adjektiv „lästig“ auf und wir lernen dort, dass schon Goethe dieses Wort nutzte. Das verwundert nicht. Reizvoller ist das Beispiel, das die fleißigen Brüder wählten, um die Bedeutung des Begriffs („was beschwerlich fällt, unangenehm empfunden wird“) zu erklären: „Einer frechen Person ist ihre Tugend sehr lästig.“

Hundeklos und tieffliegende Tauben - das nervt!

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Würden wir heute so vielleicht nicht mehr sagen. Lästig sind dafür zum Beispiel oft Zeitgenossen, deren Berufsstand noch nicht im Grimm’schen Wörterbuch zu finden war: Promoter. „In Nürnberg wird man an jeder zweiten Straßenecke angesprochen“, sagt Nicole Oksman (32). Es geht um Werbung, versprochen werden satte Gewinne. „Immer kann man ein Auto bekommen oder ein Wellness-Wochenende — vorausgesetzt, man rückt seine Namen samt allen persönlichen Daten raus.“

Ein Hindernislauf

Hundeklos und tieffliegende Tauben - das nervt!

© Hans-Joachim Winckler

Alice Cao-Gottschling (32), Lehrerin wie ihre Kollegin Nicole Oksman, findet den erzwungenen Hindernislauf auf dem Weg von der Waldstraße in den Südstadtpark ausgesprochen lästig: „Das ist das reinste Hundeklo. Viele lassen ihre Tiere dahin machen, obwohl das der Durchgang zu einer Grundschule, einer Krippe und zwei Kindergärten ist. “

Hundeklos und tieffliegende Tauben - das nervt!

© Hans-Joachim Winckler

Spontan fällt Jutta Dollinger eine Situation ein, die sie gar nicht mag: „Wenn ich in einem Modegeschäft von einer Verkäuferin angesprochen werde und sie mir möglicherweise durch den ganzen Laden folgt — dann gehe ich gleich wieder.“ Die 49-Jährige, die als Sekretärin im Klinikum arbeitet, macht klar: „Ich habe einfach meinen Stil, mein Leben lang schon. Deshalb lasse ich mich nicht beraten und mir unter Umständen was aufschwatzen.“

Hundeklos und tieffliegende Tauben - das nervt!

© Hans-Joachim Winckler

Was sie lästig findet? Marijke Waardenburg muss einen Moment überlegen. „Werbung im Fernsehen gehört auf jeden Fall dazu. Und Tauben, die einem wie hier ganz dicht über den Kopf fliegen.“ Für die 16-Jährige gehen jetzt wie für alle bayerischen Schüler die Osterferien zu Ende, deshalb fallen ihr beim Gedanken an die Schule die Fünftklässler ein. Warum? „Die sind so respektlos. Ich hatte früher Respekt vor Neunt- oder Zehntklässlern. Heute rempeln die dich an und wenn du fragst, was das soll, sagen die nur: ,Nerv’ mich nicht‘.“

Auf Anhieb hat Eva Göttlein eine Antwort parat: „Ich finde die aktuelle Bundespolitik richtig lästig. Es geht nur noch um die Wirtschaft, alle Entscheidungen werden in diesem Sinne getroffen. Soziale und menschliche Aspekte fallen da hinten runter.“ Ein besonderer Dorn im Auge ist der 49-Jährigen das Freihandelsabkommen, über das die Europäische Union gegenwärtig mit den USA verhandelt. „Ich bin dagegen, weil so das Tor weit geöffnet würde etwa für Lebensmittel, die bisher bei uns aus guten Gründen nicht erlaubt waren.“ Ebenso ärgerlich fände sie, wenn „Firmen und Konzerne tatsächlich die Möglichkeit bekommen, Regierungen zu verklagen, weil sie eine Gewinnminimierung auf Grund von politischen Entscheidungen hinnehmen müssen“. Lästig? Ralf Benker (55) schaut Ehefrau Katrin (50) an und schüttelt den Kopf. „Ich finde gar nichts lästig.“ Wie denn das? „Wenn ich mich ärgere, bringt das nichts außer schlechter Energie.“ Stattdessen haben die beiden für sich eine Art von Philosophie entdeckt, die andere Wege aufzeigen will: „Wir beschäftigen uns mit den sieben hermetischen Gesetzen.“

Die nächste Frage wird beantwortet, bevor sie gestellt ist: „Nein, das ist keine Religion.“ Katrin Benker, die als Anwendungsentwicklerin im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet, erklärt: „Es gibt da zum Beispiel ein Gesetz der Resonanz, das bedeutet, das Gleiches Gleiches anzieht.“ Ralf Benker ergänzt: „Anders gesagt: Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück. Wir lächeln darum gerne Leute an und versuchen ins Gespräch zu kommen.“

Noch ein Versuch: Die beiden tragen sogenannte Barfußschuhe. Was wie ein Widerspruch in sich klingt, soll ein natürliches Laufgefühl ermöglichen. Sind ihnen denn Schuhe lästig? „Aber nein. Wir haben einfach sehr gute Erfahrungen mit dieser Fußbekleidung gemacht.“ Ralf Benker hat einen Vorschlag: „Am besten streichen wir das Wort ,lästig‘. Denn nur, wenn wir etwas als lästig bezeichnen, wird es das auch für uns.“

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