«Ich will den Sommer»

17.1.2009, 00:00 Uhr
«Ich will den Sommer»

Gertrud Maar (57) ist aus Nürnberg extra nach Fürth gefahren. Denn: «Ich hab’ wirklich eine extreme Krise gehabt wegen meiner Handy-Rechnung. Die habe ich korrekt bezahlt – und prompt noch einmal bekommen. Deshalb bin ich heute direkt in den Laden des Anbieters hier in der Fußgängerzone gegangen, weil mir die Sache keine Ruhe gelassen hat. Jetzt ist alles geklärt und ich fühl’ mich total erleichtert.»

Lisa Eder (20) aus Zirndorf hat sich nach langer Überlegung vorgestern entschlossen, ihr Studium abzubrechen und orientiert sich jetzt neu. Mit dieser Entscheidung geht es ihr prima. Ihr Problem ist ein ganz anderes: «Ich will den Sommer. Mir ist kalt, es gibt keine Blumen und ich vermisse den Duft von frisch gemähtem Gras.» Ihre Freundin Cornelia Engelhardt (20) kann da nur zustimmen: «Der Dreck nervt, allein wie die Straßenränder aussehen . . . Daran ist wirklich nichts Schönes.»

Katja Gräbner (38) aus Röthenbach bekommt aus ganz praktischen Gründen manchmal die Krise: «Ich bin heute mit meiner Nichte und meinem Neffen in Fürth unterwegs, die beiden sind sieben Monate alt und liegen in einem Zwillingskinderwagen. Aber mit dem kommt man einfach nicht durch alle Türen. Deshalb warte ich draußen, wenn die Mama der Zwillinge einkauft. Das gleiche Problem gibt es übrigens auch bei schmalen Aufzügen – da geht oft gar nichts, wenn man mit dem Doppelwagen unterwegs ist. Die wenigsten Leute bieten einem in solchen Situationen übrigens Hilfe an, meistens muss man erst ausdrücklich darum bitten.»

Michael Daun (47), Rechtsanwalt aus Fürth, sieht der allgemeinen Panikstimmung ruhig ins Auge: «Ich bin ziemlich gelassen, weil ich die Krise erkannt habe und weiß, dass es noch schlimmer kommt. Den Höhepunkt haben wir nämlich längst noch nicht erreicht. Aber ich bin gewappnet. Mit ordentlicher Planung kann man das alles nämlich ohne große Einschränkung bewältigen. Klar, die ein oder andere Investition, ob geschäftlich oder privat, muss man im Moment möglicherweise zurückstellen. Aber ich bin mir sicher, wenn wir alle mehr Besonnenheit an den Tag legen würden, dann wären wir jetzt auch zufriedener.»

Corey Bittner (19, ohne Bild), Schüler in der 12. Klasse am Helene-Lange-Gymnasium, hat ein ganz konkretes Problem: «Mein Stundenplan ist einfach schlecht, ich habe zwischendurch zu viele Freistunden und damit sinnlosen Leerlauf. Heute muss ich zum Beispiel von 7.45 bis 16 Uhr in der Schule sein, allerdings mit zwei freien Stunden dazwischen, die habe ich gerade genutzt, um ein Sandwich essen zu gehen.»

Krise hin oder her. Trotz Frier-Wetterlage und Bibber-Alarm verströmt Adriano Paulus (37) sonnigen Optimismus: «Am Sonntag muss ich bei der HOGA-Messe in Nürnberg meinen Titel als amtierender Bayerischer Cocktail-Meister verteidigen. Deshalb bin ich ein bisschen aufgeregt. Grundsätzlich finde ich aber, dass das Leben viel zu kurz ist, um solche Panik zuzulassen. Es gibt immer eine Lösung, man muss sich nur was einfallen lassen.» Und hat der kreative Meister am Shaker vielleicht auch ganz spontan eine Idee für einen Gemüt erhellenden Krisen-Cocktail? «Na klar, ich würde drei Jahre alten Havanna-Club-Rum nehmen, dazu Mango-Nektar, frischen Limettensaft, Maracuja-Nektar, und das Ganze mit Ginger-Ale aufgießen.»

Klasse, das klingt doch, als hätte die Krise wenigstens auch eine leckere Seite. SABINE REMPE