In Cadolzburg wird der fränkische „Roggn Roll“ geübt

12.4.2015, 06:00 Uhr
In Cadolzburg wird der fränkische „Roggn Roll“ geübt

© Foto: Sabine Rempe

An einem Sonntagnachmittag könnte man faul auf dem Sofa liegen, nur so zum Beispiel. Lea Weber (18), Pia Köhler (16) und Selina Fingerhut (15) denken nicht einmal daran. Stattdessen widmen sie ihre Zeit „Mademoiselle Marie“ und studieren die Partien ein, mit denen sie im Sommer auf der Cadolzburger Open-Air-Bühne stehen werden.

Damit sind die drei jungen Frauen nicht alleine. In jedem Raum der Wachendorfer Mehrzweckhalle wird in diesem Moment trainiert, geübt, getanzt, gesungen. Warum sie in ihrer Freizeit so aktiv sind, darüber müssen Lea, Pia und Selina nicht nachgrübeln: „Wir wissen, dass am Ende was Schönes dabei herauskommt.“

Der Meinung waren im Sommer 2013 auch mehr als 13 000 begeisterte Zuschauer, die vor der Cadolzburg den „Aeronauticus“ feierten. Das Kreativteam, das das Musical rund um den fränkischen Flugpionier Gustav Weißkopf abheben ließ, ist jetzt für „Mademoiselle Marie“ angetreten. Von Autor Fritz Stiegler stammen Idee und Text. Komponist Matthias Lange hat die musikalische Gesamtleitung und vertonte das Libretto, seine Musik wurde bereits von der Thilo Wolf Big Band und den Nürnberger Symphonikern eingespielt. Jan Burdinski wird wieder Regie führen. Kathleen Bengs übernimmt die Choreografie, Kostümbildnerin Elke Hagen ist für die perfekten Gewänder zuständig, die vom bewährten fleißigen Nähteam realisiert werden.

Seit November stehen die regelmäßigen Proben auf den Terminkalendern aller Beteiligten. Während donnerstags der Chor übt, ist freitags die Tanztruppe an der Reihe. Für viele sind die Burgfestspiele Familiensache. Alexander Gößelein (44) gehört zu den Tänzern und er kommt nicht alleine zum Training: „Meine drei Kinder machen auch mit.“ Sohn Sander (12) übernimmt im Wechsel mit Tom Sarduski (12) sogar die Kinderhauptrolle. Auch Manuela und Helmut Köhler sagen: „Wir sind seit dem ersten Stück mit unserer Tochter Pia dabei, das ist für uns ein Stück Familiengeschichte und verbindet uns miteinander.“

Seit der Aufführung von „Magdalena“ 2007 bei der 850-Jahr-Feier von Cadolzburg ist zum Beispiel auch Manfred Öchsner mit von der Partie. Der 52-jährige Landwirt aus Roßendorf gehört zu den eifrigen Tänzern. Selbst eine leichte Zerrung am Arm kann ihn nicht stoppen: „Es gefällt mir, was wir hier machen“, sagt er. „Später, vor Publikum ist es dann am besten, ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn applaudiert wird.“

Auf der Tanzfläche wird gerade ein Rock ’n’ Roll mit Schwung und Überwürfen geprobt. In Fritz Stieglers fränkischer Geschichte muss das natürlich „Roggn Roll“ heißen und führt geradewegs zu Marie, einer selbstbewussten Bäuerin, die Mitte der 50er Jahre noch immer auf ihren in Russland vermissten Mann wartet. Auf dem Hof hilft ihr François, ein ehemaliger Kriegsgefangener aus Frankreich, der sich in Marie verliebt hat und sie seinen Eltern vorstellt, die in der Nähe von Oradour leben. Die junge Frau wird mit dem grausamen Massaker konfrontiert, das Deutsche im Krieg dort begingen. Dennoch gelingt eine Art von Verständigung und für Marie und François scheint es eine gemeinsame Zukunft zu geben. Doch dann verhandelt Konrad Adenauer mit Chruschtschow über die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen . . .

Regisseur Jan Burdinski hat das berührende Thema des Musicals, dessen Leitmotiv die Versöhnung ist, in Bilder umgesetzt: „Diese Nachricht, dass es zwischen den Politikern zu Gesprächen kam, lasse ich zum Beispiel von Kindern spielen, so wie es damals im gerade erst aufgekommenen Fernsehen zu sehen war“, verrät er. Die Geschichte von Marie findet der Regisseur „einfach genial“ und lobt: „Fritz Stiegler ist ein gewiefter, wendiger, witziger Franke, ein echter Freggä. In seinen Dialogen hat er ganz subtil viel Kluges zum Beispiel über familiären Zusammenhalt eingebaut.“ Selbst eine „gewisse Bissigkeit“ attestiert Burdinski dem Text: „Das ist halt der Vorzug der Franken, die können mit wenigen Worten viel sagen.“

Besuch aus Frankreich

Nicht nur Burgfestspiel-Vorstand Thomas Dröge freut sich inzwischen über eine Nachricht aus Frankreich. Robert Hérbras hat sich nun für eine Vorstellung von „Mademoiselle Marie“ angesagt. Der 89-Jährige ist einer der Überlebenden von Oradour, eine Delegation aus Cadolzburg hatte ihn im Herbst kennengelernt und ihm das Open-Air-Projekt vorgestellt.

In Wachendorf steht an diesem Nachmittag noch Vokabeln lernen an – und zwar fränkische. Als Lehrer kommt dafür im Grunde nur einer in Frage: Fritz Stiegler übt mit Tom Sadurski (12), Maryline Zappe (14) und Sina Vogt (36) bemerkenswerte Sätze wie „Zum Groom kemmä jeedn braung und der do doo is mir bekannt . . . Und Dangschee hääda scho soong kenna.“ Wie klingt das jetzt aus dem Mund der Dialektlehrlinge? Keine Frage. Wunderbar fränkisch natürlich.

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