„Judensau“ blieb weithin unbeachtet

28.7.2003, 00:00 Uhr
„Judensau“ blieb weithin unbeachtet

© -

„Judensau“ steht weithin sichtbar auf den Plakaten, die sich zwei Männer umgehängt hatten. Sie postieren sich auf der Brücke am Eingang zur Hohenzollernburg und verteilen Faltblätter. Das gleiche Wort hatten sie zuvor mit weißer Farbe quer über den gepflasterten Zugangsweg gesprüht.

Ein Pfeil verweist zudem auf die steinerne Skulptur, die am linken äußeren Burgtorbogen herausgearbeitet worden ist. Ein unübersehbares Relief, auch wenn die Details bereits verwittert sind. Die Szene stellt Juden dar, die an den Zitzen einer Sau saugen. Daher die verunglimpfende Bezeichnung „Judensau“, eine Vokabel, die bereits im Mittelalter geprägt worden ist und von den Nazis aufgegriffen worden ist.

Plakative Aktion

Die plakative Aktion war von den beiden freischaffenden Künstlern Wolfram Kastner und Günter Wangerin geplant und inszeniert worden. Sie verweisen darauf, dass der Antisemitismus in Deutschland eine lange Tradition besitzt.

Und noch heute gern verleugnet oder heruntergespielt wird. Denn an insgesamt 28 deutschen und ehemals deutschen Kirchen und öffentlichen Gebäuden sind solche Skulpturen zu sehen, die in menschenverachtender Weise Juden diffamieren - bis auf eine Ausnahme allesamt unkommentiert.

So informiert auch in Cadolzburg keine Tafel über dieses menschenverachtende Dokument, keine Erklärung distanziert sich bislang von den steinernen Zeugen mittelalterlicher antijüdischer Hetzkampagnen. Das Relief befindet sich damit in illustrer Gesellschaft. Auch am Kölner und Regensburger Dom, im Spalter Chorherrenstift, in der Stadtkirche Bayreuth und an der Nürnberger Sebalduskirche - um nur einige zu nennen - sind die aggressiven Obszönitäten zu finden. Allerdings ist die Cadolzburger „Sauerei“ die größte der noch existierenden Hohnskulpturen.

Die beiden Künstler fordern deshalb von der bayerischen Staatsregierung, die die Burg momentan aufwendigst renoviert, dass diese sich öffentlich und deutlich von den Schmähungen distanziert. „Die Burgsau gehört in ein Museum der Kriminalgeschichte des Christentums“, meint Wolfram Kastner und will zumindest erreichen, dass eine kommentierende Tafel angebracht wird. Für ihn sind die Reliefs Zeichen der Verachtung und Ausgrenzung, die ein zerstörerischer christlicher Fundamentalismus gesetzt hat.

Mahnmal Bücherverbrennung

Kastner hatte bereits 1998 den Hauptmarkt in Nürnberg mit einem schwarzen Fleck verziert, mit dem er auf die dort im Mai 1933 stattgefundene Bücherverbrennung erinnert hat. 2002 hatte er vor dem Kölner Dom und an der Nürnberger Sebalduskirche mit einer Sauaktion Aufmerksamkeit erregt. Dagegen blieb die Demonstration an der Cadolzburg von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. Das lag sicherlich an dem unglücklich gewählten Termin am Samstagvormittag, zu dem sich kaum ein Besucher in das Hohenzollernensemble verirren mochte. Da war die mangelnde Resonanz schon wieder symptomatisch für den Umgang Masse mit dem Thema.

„Was is denn da für a Kasperla“, rügte ein zufällig vorbeikommender Passant und verstand die ganze Aufregung erklärtermaßen nicht. Handlungsbedarf sah er keinen, schließlich sei doch die Skulptur am Torbogen schon immer da gewesen, so lautete seine Rechtfertigung. Ganz anders hingegen die Haltung eines weiteren Cadolzburgers, der es begrüßen würde, wenn mit einer Tafel auf die Hintergründe der steinernen Symbolik aufmerksam gemacht werden würde.

Reagiert hat zudem das Cadolzburger Jugendforum. Christian Löbl und Philipp Novak hatten vor der Aktion mit einem Brief an den Gemeinderat die Fraktionen um Stellungnahmen zu dem Thema gebeten. Geantwortet habe leider nur der Sprecher der FWG, Karl-Heinz Tiefel. Auch der sah keinen Grund zum Handeln.