Jung zur Asylpolitik: "Kommen um Obergrenze nicht herum"

9.10.2015, 21:00 Uhr
Jung zur Asylpolitik:

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Auf FN-Nachfrage sagte Jung, er könne Seehofer nur beipflichten. Bayern trage „absolut die Hauptlast“ des Flüchtlingszustroms. Dass der Freistaat erwägt, die Asylsuchenden an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen, sei vor diesem Hintergrund verständlich und erforderlich, sagte Jung, der — wie nun auch Nürnbergs OB Ulrich Maly — schon seit Wochen eine Zuzugsbegrenzung fordert. In der Debatte um die Frage, wie viele Flüchtlinge Deutschland verkraftet, bekräftigte Jung jetzt, „kommen wir nicht um eine zahlenmäßig festgelegte Obergrenze herum“.

Die Kanzlerin, die ihre „Wir-schaffen-das“-Haltung soeben mit der Verneinung eines Aufnahmestopps bekräftigt hat, denke hier nicht langfristig genug. Schließlich gehe es bisher sozusagen nur um die Erstversorgung der ankommenden Flüchtlinge. Aber: „Diese Menschen können ja nicht zehn Jahre in Fabrikhallen und Turnhallen bleiben.“ Ihm werde angst und bange beim Gedanken an den Nachzug der Familien und daran, „dass wir den Leuten dann Wohnungen anbieten sollen“.

Jung saß mit am Tisch, als Seehofer am Mittwoch mit zahlreichen Oberbürgermeistern und Landräten aus dem Freistaat in Ingolstadt über das weitere Vorgehen sprach. Was sein Passauer Amtskollege da geschildert habe, so der OB, habe verdeutlicht, was aktuell los ist in Deutschland. Müsse die Stadt Fürth zurzeit im Schnitt rund 60 Flüchtlinge pro Woche aufnehmen, so seien es im grenznahen Passau 30 000.

"Keine einzige freie Turnhalle mehr"

Es gebe dort „keine einzige freie Turnhalle mehr“, die Sozialarbeit an Schulen, in Jugendhäusern und anderen Einrichtungen sei „völlig zum Erliegen gekommen“. Die Pädagogen stünden traumatisierten Schutzsuchenden zur Seite. „Was sich in der niederbayerischen Grenzregion abspielt, können wir uns gar nicht vorstellen“, resümierte Jung. Doch auch in „seiner“ Stadt läuft die Hilfsmaschinerie heiß. Rund 1700 Flüchtlinge beherbergt Fürth nach Angaben von Sozialreferentin Elisabeth Reichert gerade in drei großen Notunterkünften, darunter ein beheiztes Zelt (wir berichteten) und diversen kleineren Unterkünften.

Erst am Sonntag hatte Sozialamtsleiterin Michaela Vogelreuther in der TV-Talkshow „Günther Jauch“ einmal mehr geschildert, wie schwierig es sei, immer mehr und noch mehr halbwegs passable Domizile, Betten, Sanitärcontainer aus dem Hut zu zaubern und die vor Krieg, Not und Terror Geflüchteten einigermaßen menschenwürdig zu beherbergen. „Ich muss nehmen, was ich kriegen kann“, sagte die Sozialamtschefin und beklagte die ständigen Notlösungen.

Wie hopplahopp es bei der Menschen-Verteilung oft zugeht, zeigte sich gestern in Veitsbronn. Als dort die ersten 70 Flüchtlinge eintrafen und vom Bürgermeister, der andere Termine gerade noch hatte verschieben können sowie einem Team Ehrenamtlicher herzlich willkommen geheißen wurden, waren die Wände der Unterkunft noch gar nicht fertig gestrichen. Die Ankunft von Flüchtlingen war für Veitsbronn eine Premiere, heute wird es eine für Obermichelbach sein.

Fürths Sozialreferentin Reichert betrachtet die Lage eher durch die Merkel-Brille. Die Kommunen bewältigten „gerade eine Mammutaufgabe“, sagt sie. Fürth komme „an die Belastungsgrenze“, werde es mittelfristig aber schaffen, Menschen auf der Flucht ein Dach über dem Kopf anzubieten. Der Stadt seien Gewerbeimmobilien angeboten worden. Problematisch seien nur die Engpässe, weshalb nicht viele Leute kurzfristig auf einmal kommen dürften. Die vom Freistaat geplanten Notmaßnahmen indes stellt Reichert infrage: „Wie soll das gehen? Wenn Grenzkontrollen eingeführt werden, kommen die Menschen eben durch den Wald ins Land.“

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