Klangfeuerwerk übertönt Böller

2.1.2019, 10:06 Uhr
Klangfeuerwerk übertönt Böller

© Foto: Florian Burghardt

Der Silvestertusch gehört seit 2000 zu den Besonderheiten, mit denen sich Fürther kultiviert auf den Jahreswechsel einstimmen. Doch diese Tradition bewahrte ihn heuer nicht vor der Konkurrenz der Knallerei. Denn die musste wegen der närrischen Zahlensymbolik im Jahr 2018 noch während des Konzerts punkt 20.18 Uhr gezündet werden.

Zum Glück war da in der Kirche gerade der "Ochse auf dem Dach" unterwegs – eine als Filmmusik geplante Orchesterfantasie, die Darius Milhaud 1919 unter dem Eindruck seines Brasilienaufenthalts komponiert hatte. Ein ganzes Orchester ersetzen an diesem Abend zwei Pianistinnen: Kirchenmusikdirektorin Sirka Schwartz-Uppendiek und die Südkoreanerin Yulim Kim.

Kim hatte 2018 bereits bei den 55. Fürther Kirchenmusiktagen an diesem Schauplatz mit Eigenkompositionen aufhorchen lassen. Jetzt brachte sie neben Schwartz-Uppendiek dem Konzertflügel das Tanzen bei. Kapriziös in romantisch angehauchten Salonstücken der Pariser Komponistin Cécile Chaminade, walzerselig in einem Werk der Polin Maria Szymanowska. Schöne Akzente setzten daneben Kompositionen der Französin Pauline Viardot-Garcia und der Brasilianerin Chiquinha Gonzaga. Faszinierend, wie homogen die beiden Interpretinnen, die öfter einmal ihre Plätze tauschten, Dynamik und Tempi modellierten. Da war alles aus einem Guss.

Mit Spaßfaktor

Milhaud war der einzige Mann in der Komponistinnenriege. Dafür markierte sein Werk am Programmende aber auch den Schwerpunkt. Augenzwinkernd persiflieren Dissonanzen musikalische Allgemeinplätze. Den Spaßfaktor kosteten Kim und Uppendieck gerne aus. Daneben schöpften sie aus dem Vollen, nutzten die ganze Bandbreite des Instruments pointiert aus.

Furiose Steigerungen wurden von atemberaubenden Zurücknahmen aufgefangen. Alles atmete unter dem beherzten Zugriff der Pianistinnen. Den Tanz über die Tasten berherrschen sie mit Hingabe und traumhafter Sicherheit. Nichts wirkt daran bemüht oder gar unentschlossen.

Das Spiel mit Klischees pflegte vor allem die musikalische Weltenbummlerin des Fin de Sìècle, Cécile Chaminade. Ihre Pièces romantiques op. 55 aus dem Jahre 1890 sind ein Kaleidoskop der Musikbegeisterung. Arabische Anklänge wetteifern dabei mit einem furiosen indischen Tempeltanz, der in seinem vorantreibenden Gestus und imitiertem Zimbelspiel geradezu militärisches Format gewinnt. So sensibel Kim und Uppendieck das ausloteten, so wuchtig konnten sie dreinschlagen, wenn es erforderlich war.

Unterstützt wurden sie von Michael Herrschel, der nicht nur als Conférencier durchs Programm führte, sondern auch Gesangspartien übernahm. Etwas weniger Technik hätte dabei dem Gesamteindruck nicht geschadet. Denn die Stimme kam im Vergleich zum Flügel doch etwas gewaltig und zu wenig getragen über die Bühne.

Dem Herzschlag Edith Piafs spürte Herrschel in der ersten Zugabe mit dem Chanson "Padam . . . padam" nach. Doch man konnte es auch als Allegorie auf die zunehmende Knallerei verstehen. Ein weiterer Walzer von Maria Szymanowska komplimentierte das Publikum dann hinaus in die rauhe Wirklichkeit.

Klavier zu vier Händen hatte den Hörern in der gut besuchten Kirche am Silvesterabend verspielte Perspektiven eröffnet, die nicht belasteten, sondern auf raffinierte Weise unterhielten. Großer Beifall für eine schönes Kontrastprogramm.

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