Knatsch im Doppelhaus-Palast

2.10.2009, 00:00 Uhr
Knatsch im Doppelhaus-Palast

© Hans G. Esterl

Gräfin Sophie (Gerlinde Peterek) ist verschnupft. Missbilligend lupft sie ihren Reifrock ein winziges Stück und setzt sich noch einen Hauch anmutiger auf dem Sofa in Positur. Doch so leicht lässt sich das Ärgernis, das im großen Saal des Schlosses gerade Einzug gehalten hat, nicht aus der Welt schaffen. Hat doch ihr Schwager Graf Ludwig (Stephan Schmidt) nichts Besseres zu schaffen, als mit seiner Luise Clamorine (Gabriele Wanninger) durch den Saal zu walzen . . .

Lebendige Tour

Ein Blick genügt, schon ist dem Zuschauer klar: Bei Grafens hing der Haussegen gerne auch mal schief. Was jetzt nicht verwundert, bedenkt man, dass sich gleich zwei noble Familien das Schloss in Burgfarrnbach teilen mussten. Das Wohnen im Doppelhaus-Palast funktionierte ja eigentlich reibungslos – hätte es nicht diesen gemeinsam zu nutzenden Pracht-Saal gegeben.

Wie rigoros Graf Friedrich (Johannes Schoierer) den ewigen Zank ums gemeinsame Wohnzimmer löste, erleben die Besucher der inszenierten Schlossführung direkt an Ort und Stelle. Die lebendige Tour belässt es nämlich nicht bei Namen, Zahlen und Fakten. Die Herrschaften treten höchstpersönlich in Erscheinung und verraten, was sie dereinst so getrieben haben.

Die aufwändige Produktion, die morgen Premiere feiert, ist ein Gemeinschaftswerk der Tourist-Information mit dem Stadtarchiv und der Bühne Erholung 27. Tourist-Info-Leiterin Eike Söhnlein, die mit Mitarbeiterin Karin Hirschmann-Schmidt die Idee fürs neue Angebot hatte, macht klar, dass dem Start der Theaterführung intensive Recherchen vorangingen: «Was hier gezeigt wird, ist historisch korrekt und authentisch.»

Für das nötige Hintergrundwissen sorgte die scheidende Stadtarchivarin Sabine Brenner-Wilczek: «Beim Lesen in den alten Korrespondenzen der Grafen, die vor 175 Jahren in dieses Schloss einzogen, hatte ich das Gefühl, sie beginnen als Geister aus den Akten im Archiv hervorzutreten», verrät sie. Und noch eines offenbart die künftige Leiterin des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Instituts: «Bei diesem Projekt bin ich bei der Zeugung dabei gewesen, die Geburt hat Felix Eckerle verursacht.»

Eckerle, ehemaliger Dramaturg des Stadttheaters Fürth und seit August als Musikdramaturg am Theater in Gera beschäftigt, ist der Autor von «Zu Gast bei den Grafen Pückler-Limpurg». Für ihn sei es eine spannende Erfahrung gewesen, ein Stück für ein «historisch verbürgtes Personal» zu entwickeln. Unter der Regie von Klaus Hoffmann spielen nun Mitglieder der traditionsreichen Bühne Erholung 27 die Szenen im Schloss.

Besondere Sorgfalt wurde bei der Produktion auf die historisch stimmigen maßgeschneiderten Gewänder gelegt. Söhnlein: «Von den mehr als 10 000 Euro Gesamtkosten verschlingen die Kostüme den größten Posten. Allerdings hat die Tourist-Information mit dem Autohaus Graf, der Sparkasse und dem Stadtarchiv finanzielle Partner gefunden.»

Zauberhafte Kleider

Ein Aufwand, der sich wunderbar sehen lässt. Barbara Riederer entwarf und fertigte von den üppigen Fliegen, die jeden Adamsapfel erbeben lassen, bis hin zu zauberhaften Kinderkleidern einen sehenswerten Staat. Perfekt wird das Biedermeier-Flair dank der Make-up- und Frisur-Finessen von Nicole Zuerner und Isabella Hoffmann.

Zu den noblen Herrschaften, die ihr Familienleben den Bürgern präsentieren, wird sich übrigens auch der weitgereiste Cousin der Grafenbrüder, Hermann von Pückler-Muskau (Gert Hessing) gesellen. Der Bonvivant in Fez und Pluderhosen hat fürs einmalige Burgfarrnbacher Schloss bloß ein herablassendes «Schön habt ihr’s hier» übrig. Und das in einem Tonfall, der eines Plattenbaus würdig wäre. Was den Hausherrn darauf einfällt – das muss man einfach selbst hören. SABINE REMPE

«Zu Gast bei den Grafen Pückler-Limpurg»: Kurzentschlossene haben noch Chancen, für die Uraufführung am 3. Oktober (15 Uhr) Karten zu bekommen. Weitere Termine sind zunächst am 8. November und am 13. Dezember (jeweils 15 Uhr). Treffpunkt ist stets am Eingang des Schlosses Burgfarrnbach. Karten (18, ermäßigt 16 Euro) Tourist-Information am Bahnhofplatz, Online-Buchung: www.fuerth.de/tourismus