LAC-Athlet Schneider greift nach dem Meister-Titel

10.6.2018, 16:00 Uhr
LAC-Athlet Schneider greift nach dem Meister-Titel

© Theo Kiefner

Patrick Schneider ist Fan von Borussia Dortmund. Das wäre kein Problem, würde Schneider in Unna oder Castrop-Rauxel nach seinem Lieblingsteam gefragt. Schneider aber ist Franke, er ist in Ansbach geboren, er wohnt in Nürnberg, er startet für das LAC Quelle Fürth, früher hat er für den TSV Aschbach Fußball gespielt, er arbeitet für einen, nein, den anderen Sportartikelhersteller in Herzogenaurach. Und am 21. und sehr wahrscheinlich auch am 22. Juli wird er über die ungeliebte Kunststoffbahn des Stadions sprinten, das nun endlich den Namen von Nürnbergs größtem Fußballer trägt (Max Morlock, nicht Hanno Behrens).

Und weil auch die Nichtfußballer ständig mit dem Fußball als Vergleichsgröße konfrontiert werden, muss natürlich auch Patrick Schneider die Frage nach dem Lieblingsverein beantworten. Weil es doch lustig wäre, wenn der Vereinsfürther den 1. FC Nürnberg nennen würde, oder noch lustiger, wenn der Wahl-Nürnberger zum Kleeblatt stünde. Patrick Schneider aber hält zu Borussia Dortmund: "Ich bin BVB-Fan", sagt er, "seit . . . eigentlich schon immer."

Den Verein kann sich niemand aussuchen, der Verein sucht dich. Mit der Sportart ist es letztlich genauso. Schneider hat sich Fußball ausgesucht, eigentlich wollte er nur mit seinen Freunden spielen. Einmal hat er mit einer Landesliga-Mannschaft trainiert, wirklich gefallen hat ihm das nicht. Dann hat sich die Sportart Schneider ausgesucht. Für Schneider war es gut, ebenso für den Fürther Verein mit dem großen Namen und letztlich auch für die Leichtathletik. Dem Fußball war es egal. "Die Geschwindigkeit war da. Das spielerische Vermögen, das Taktische, das Technische war wahrscheinlich nicht so ausgeprägt wie bei anderen." Und deshalb sitzt er im Bootshaus, im Hintergrund überragen die Flutlichtmasten des Stadions die hohen Bäume am Dutzendteich, und soll über den Druck als Lokalheld bei den deutschen Meisterschaften reden, über die EM in Berlin im August und über seine rasante Entwicklung zu Deutschlands derzeit zweitbestem Viertelmeiler.

Am Sonntag war er im Uni-Stadion von Regensburg ein starkes Rennen gelaufen, am Ende wurde er Zweiter, allerdings nur, weil er den Münchner Johannes Trefz herausgefordert hatte, weil er ihn gezogen hatte. Auf der Zielgeraden lief Trefz einen Vorsprung von 0,06 Sekunden heraus. Seit zwei Jahren prägt das Duell zwischen dem Franken und dem langen Mann aus Starnberg die 400-Meter-Rennen in Deutschland. In Regensburg hatte Trefz erneut die Brust vorne, aber es wird immer knapper. Schneider verbesserte seine Saisonbestleistung auf 46,43 Sekunden, zwei Zehntel fehlen noch zur Bestzeit, vier Zehntel zur Norm für die EM in Berlin. Aber schon jetzt, Anfang Juni, lässt sich absehen, dass sich der ganze Aufwand, die vielen Reisen, die langen Trainingslager in Warnemünde, auf Teneriffa, in Monte Gordo, in Florida und wieder in Teneriffa auszahlen werden.

Schneider hat sich stabilisiert und beeindruckt durch schnelle Zeiten. Kurz nach dem knallharten 400-Meter-Rennen in Regensburg ließ er schnelle 21,16 Sekunden über 200 Meter folgen. Zehnmal in der Woche trainiert Schneider, mindestens. Sein Fürther Trainer Harald Schmaus hat ihn auf diese Umfänge vorbereitet, zusammen arbeiten sie professionell. Ein Profi aber ist Schneider nicht.

Sein Arbeitgeber unterstützt ihn, nicht nur durch Trikots, Hosen und Schuhe. Trotzdem arbeitet er noch, aber weniger als sonst. Eine Verpflichtung verspürt er nicht. "Es ist nicht so, dass es heißt, ich muss unbedingt Deutscher Meister werden, damit das so weitergehen kann. Den Druck mache ich mir allenfalls selbst. Ich habe natürlich höhere Erwartungen als 2015. Und ich will einen Einzelstart bei der EM. Unbedingt."

Interview vor Anpfiff

Deshalb arbeitet er am Montagvormittag an seiner Kraft, am Abend sprintet er; Dienstag: Dauerlauf und Tempoläufe; Mittwoch: Dauerlauf, Fahrtspiel; am Donnerstag unterstützt ihn ein Physiotherapeut – nach dem Krafttraining; Zirkeltraining am Freitag, Hügelläufe am Samstag, am Sonntag schließt er die Woche mit einem langen Dauerlauf ab. Eine ganz normale Trainingswoche. "Noch vor drei Jahren hätte ich gesagt, das ist verrückt." 2018 ist das Verrückte normal geworden. Mittlerweile bestimmen die Wettkämpfe den Plan, leichter ist es nicht geworden.

Im Bootshaus kann er sich auch nicht entspannen. Zusammen mit der Stabhochspringerin Lisa Ryzih wurde er den ganzen Tag fotografiert, befragt, gefilmt, in einem Radiostudio, im Stadionbad, im Bootshaus und zum Abschluss in dem Stadion, in dem er am 22. Juli Deutscher Meister werden will. Der 1. FC Nürnberg spielt gegen Eintracht Braunschweig, direkt vor dem Anpfiff werden er und die erfahrene Stabhochspringerin von den Stadionsprechern des Clubs interviewt – auf der roten Kunststoffbahn, auf seiner Bahn. Patrick Schneider verkauft sich prächtig, er wirkt sympathisch, authentisch.

Nur das mit Borussia Dortmund, das erwähnt er dann doch nicht.

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