Landkreis Fürth: Jagdberater Schulte bittet um Rücksicht

4.6.2016, 21:00 Uhr
Landkreis Fürth: Jagdberater Schulte bittet um Rücksicht

© Sabine Dietz

Herr Schulte, da liegt ein klitzekleines Rehkitz eng zusammengerollt im Gras am Wegesrand. Was ist damit?

Jagdberater Walter Schulte mit seiner Hündin Kora.

Jagdberater Walter Schulte mit seiner Hündin Kora.

Schulte: Das Jungtier, das da womöglich allein und schutzlos in der Wiese ruht, hat die Rehgeiß dort abgelegt. Und das zu dessen Schutz. Meist liegt in 50 bis 100 Metern Entfernung noch das zweite Kitz, damit Fuchs und Wildsau, wenn sie denn fündig werden, nicht gleich den kompletten Nachwuchs erwischen. In den ersten Lebenstagen ist der Fluchtreflex unterdrückt.

 

Was also tun?

Schulte: Gar nichts, einfach liegen lassen und bitte Abstand halten. Eine Stunde später hat die Geiß ihr Kitz garantiert abgeholt. So ein Jungtier mitzunehmen, wie es immer wieder passiert, ist falsch verstandene Tierliebe. Wittert die Mutter menschlichen Geruch an ihrem Nachwuchs, nimmt sie ihn nicht mehr an, dann verhungert das Jungtier. Ducken und Tarnen schützt die Kitze vor Fressfeinden, allerdings nicht vor den großen Mähwerken der Landwirtschaft.

Der erste Schnitt von Grünland und Energiepflanzen wie Grünroggen für die Biogasanlagen ist erledigt. Er dürfte bereits etlichen Kitzen und Junghasen das Leben gekostet haben, oder?

Schulte: Möglich, aber das merkt man ja oft nicht. Jedes Frühjahr appelliere ich an die Landwirte, die als Jagdgenossen ihre Flächen an uns Jäger verpachten, dass wir bei der Wildrettung zusammenarbeiten müssen. Das klappt dann auch sehr gut.

 

Inwieweit?

Schulte: Steht die Mahd einer Wiese an, sollten uns die Landwirte tags zuvor Bescheid geben. Doch das ist nicht immer einfach, weil sie das wetterabhängig oft kurzfristig entscheiden. Wir Jäger vergrämen das Wild, indem wir mit dem Hund durchgehen oder technische Hilfsmittel, die Tiere verscheuchen, einsetzen. Der Kitzretter etwa ist ein Lampion auf einem Stab, der in der Dämmerung akustische und optische Signale abgibt, und zwar unregelmäßig, so dass sich das Wild nicht daran gewöhnt.

Mit welchem Effekt?

Schulte: Sowohl den Geruch des Hundes als auch die Störsignale nimmt die Rehgeiß als Bedrohung wahr. Dann lockt sie ihren Nachwuchs an einen anderen Platz. Sind die Kitze älter, etwa ab Juli, reißen sie aus. Generell wäre es hilfreich, würden die Landwirte von innen nach außen mähen. So haben auch Feldhasen oder Bodenbrüter die Möglichkeit zur Flucht. Andernfalls flieht das Jungwild seltsamerweise immer nach innen, dann ist es höchst gefährdet, unters Messer zu geraten.

 

Doch wer ein Wirbeltier, so regelt es das Tierschutzgesetz, ohne vernünftigen Grund tötet, riskiert eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Schulte: Das ist richtig. Es ist auch schon vorgekommen, dass Spaziergänger Landwirte angezeigt haben. Vor drei Jahren wurde ein Bauer im mittelbadischen Wolfach zu 3000 Euro Geldstrafe und einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Zwei Frauen hatten ihn auf zwei Kitze in der Wiese, die er mähte, aufmerksam gemacht. Es war ihm egal, er hat beide tot gemäht. Aber bei uns kommt es dank des intensiven Kontakts zwischen Jägern und Landwirten nicht zu solchen Vorfällen.

 

Was machen Sie, wenn Sie ein Landwirt informiert und Sie in der Wiese ein Kitz finden?

Schulte: Ich fasse es nur mit Handschuhen oder Grasbüscheln an und lege es außerhalb der Wiese in einen Weidenkorb, den ich abdecke, andernfalls würde es wieder in die Wiese zurückkehren. Ist gemäht, lass’ ich es wieder frei. Manchmal fiepen die Kitze dann ganz hoch, auf jeden Fall aber finden sich Geiß und Kitz wieder, das ist Instinkt.

 

Der Freizeitdruck im dicht besiedelten Landkreis Fürth ist enorm. Wo hat das Wild denn da noch Ruhe?

Schulte: Da tut es sich bei uns generell schwer. Umso wichtiger ist es, dass Spaziergänger, Gassigeher oder Jogger auf den ausgewiesenen Wegen bleiben. In meinem Revier bei Wilhermsdorf liegen gut zwölf Hektar Fläche, die dem Landesbund für Vogelschutz gehören. Das Gros davon ist Wiese, die über das Bodenbrüterprogramm erst im Juli gemäht werden darf: Das wäre optimal für Rebhühner und Fasane, die dort ungestört brüten können und die es im Landkreis ansonsten kaum mehr gibt. Aber wenn, wie ich es immer wieder erlebe, Spaziergänger, meist mit freilaufendem Hund, mitten drüber gehen, nützt auch kein Brutprogramm. Und nach Feierabend donnern dann auch noch die Quads durch die Wälder, obwohl sie dort gar nicht fahren dürften.

 

Wie reagieren Sie darauf?

Schulte: Bei den Quads kann ich gar nichts tun, die sind da und schnell wieder weg. Dabei ist das Rehwild dämmerungsaktiv, morgens und abends sucht es Äsung außerhalb des Waldes und bräuchte Ruhe. Hundehalter, die ihre Vierbeiner frei laufen lassen, weise ich durchaus darauf hin, dass in Wilhermsdorf wie vielerorts für große Hunde generell Leinenzwang gilt.

 

Nur ist es in der Regel so, dass Jäger ihre Hunde frei laufen lassen, alle anderen aber sollten ihre an die Leine nehmen. Warum sollte Ihnen Otto-Normal-Hundehalter Ihre Aufforderung abnehmen?

Schulte: Jagdhunde sind sehr sorgfältig ausgebildet und geprüft — und bringen den entsprechenden Gehorsam mit. In Ausübung der Jagd lasse ich meine Deutsch-Drahthaar Kora im Revier natürlich frei laufen, weil sie mir dabei ein wichtiger Helfer ist. Allerdings hat jeder Hund den Jagdtrieb, das ist ihm angeboren. Und ist er nicht entsprechend trainiert — was man von einem Familienhund nicht immer erwarten kann — und entdeckt einen Junghasen oder ein Kitz, ist das oft verloren.

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