Langenzenn schneidert im Akkord

27.5.2017, 14:00 Uhr
Langenzenn schneidert im Akkord

© Foto: Petra Fiedler

Weitläufig ist die einstige Pfarrwohnung im Klostergebäude. Doch in einem Raum herrscht drangvolle Enge. Übervolle Kleiderständer, Schuhregale bis unter die Decke gefüllt, hier Hüte, Mützen, dort Beutel, Gürtel – die Kleiderkammer ist das Domizil der Näherinnen. Dass es da in der Hektik der Vorbereitungszeit nicht zu emotionalen Zusammenstößen kam, ist dem Umstand verwandtschaftlicher Bande geschuldet: "Wir sind Schwägerinnen", sagt die 61-jährige Christa Reimann, da stelle man gemeinsam immer wieder den Überblick her.

Bereits im September, so berichten die beiden Frauen, hätten die Vorbereitungen begonnen. "Erst mal haben wir uns angeschaut, was an brauchbaren Kostümen da ist", erzählt Sabine Hiemer, gebürtige Langenzennerin, die mittlerweile in Hilpoltstein zuhause ist. Sabine Hiemer ist seit Jahren Kostümberaterin für die Klosterhofspieler, bei der Hans-Sachs-Spielgruppe macht das Christa Reimann.

Recherche bis in die Nacht

Was folgte, war ein Marathon durch die Stoffbestände sämtlicher Verwandter und Freunde. Schuhe, Posamenten, Litzen und Borten, auch das Internet diente als Quelle. Von unzähligen Stunden Recherchearbeit erzählt Hiemer, oft bis tief in die späte Nacht. Die diesjährigen Aufführungen sind ein Gemeinschaftswerk der Klosterhof- und der Hans-Sachs-Spiele.

Es sei, so macht Christa Reimann deutlich, das größte gemeinsame Schauspielprojekt, das in Langenzenn aufgeführt werde. "100 Darsteller und 120 Kostüme", Christa Reimann verweist damit auf den Umfang der Vorbereitungen, die in mühevoller Kleinarbeit in Privatwohnungen geleistet werden musste. Schnell wurde den Schwägerinnen klar: diese Masse an Kleidungsstücken braucht akribische Vor- und Begleitarbeit.

So bekam jede Rolle ihr eigenes Arbeitsblatt in der Schneiderwerkstatt. Darauf sind die Maße des Schauspielers, Modellzeichnung und Ausgestaltung des Kostüms, Änderungswünsche oder Neuanfertigungen vermerkt. Reimann hat zudem historisches Bildmaterial in den Laufzettel kopiert. "Damit wir immer vor Augen haben, wie die Figur auf der Bühne aussehen soll". Dem Zufall wird dabei nichts überlassen.

Wie die Kostüme sich letztlich präsentieren, wurde und wird mit Regisseurin Gabriele Küffner abgesprochen. Einen letzten kritischen Blick auf die gesamte Bühnenwirkung gibt es dann bei der großen Generalprobe, die in Kostümen gespielt wird. "Dann", so hofft Christa Reimann, "sind wir mit unserem Part durch."

In den vergangenen Monaten haben die beiden Frauen, unterstützt von Karin Zaremba und Angelika Zöllner, in unzähligen Stunden über Vorhang-, Wäsche- und Leinenstoffen gesessen. Sie haben schwarze Kutten zusammengefügt, Hemden Stehkrägen verpasst und sogar Kardinalshüte mit breiter Krempe geschaffen. Neben der Figur Luthers wurden Kardinäle, der Papst, Studenten, Boten und Mönche eingekleidet. "Ohne Idealismus geht da nichts" – stolz über und überzeugt von der geleisteten Arbeit zeigen sich die beiden Frauen.

Die Kniffe der Profis

Wer sich das Schneidern selbst beibringen konnte, stößt selbst bei historischen Kostümen nicht an Grenzen. "Wir haben ja auch einige aus dem Fundus des Nürnberger Opernhauses erworben", berichtet Christa Reimann. Und allein durch die Änderungsarbeiten seien sie so manchem handwerklichen Kniff der Profis auf die Spur gekommen. Learning by doing, dieser Spruch passt bestens für das Team der Langenzenner Schneiderwerkstatt.

"5000 Euro mindestens", meint Christa Reimann, nachdem sie schnell im Kopf den Umfang der Einkäufe für die Kostüme hochgerechnet hat. Sie ergänzt, dass man die abschließende Kalkulation erst am Ende der Aufführungen werde erheben können. Bei einem Gesamtetat von rund 150 000 Euro halten sich die Kleiderkosten für die in Bayern größte und umfangreichste Lutheraufführung in Grenzen.

Dass mit dem Lutherspiel in Langenzenn etwas Besonderes geschaffen wird, darüber sind sich Reimann und Hiemer im Klaren. Und auch, dass so etwas nur mit großem Idealismus zu leisten ist. "Wir müssen aber in unserem Tun recht überzeugend sein", Christa Reimann schmunzelt bei dieser Aussage. Das Ausmaß der geleisteten Arbeit, die Verpflichtung über Monate hinweg, scheinen nicht abzuschrecken. Die Rolle des Martin Luther hat Reimanns Sohn übernommen. 27 Mal wird er, zusätzlich zum Job und der Pendelei nach Ingolstadt, auf der Bühne im Klosterhof stehen, in Kostümen aus der Werkstatt von Mutter und Tante.

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