Lieber Erzschurken als nette Typen

1.12.2016, 18:00 Uhr
Lieber Erzschurken als nette Typen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Was hat einer wie Judas Iskariot eigentlich noch zu sagen? Sind die Details seiner Tat nicht hinlänglich bekannt? Dass er Jesus von Nazareth ausgerechnet mit einem Kuss an die Schergen preisgab, zum Beispiel. Und dafür einen nachgerade lächerlichen Lohn von 30 Silberlingen einsackte. Eine Tat, sagt Werner Müller, die Judas auf direktem Wege ins „Klischeevermächtnis der Menschheit“ beförderte – auf die Seite der Erzschurken, versteht sich.

Wer jetzt vielleicht mit einer Rechtfertigung, einer Entschuldigung gar rechnet, irrt. „Natürlich ist Wahrheit ein heikler Begriff, aber darum geht es letztlich“, sagt Sebastian König. „Judas will keine Absolution, sondern macht auf der Bühne klar, was ihn getrieben hat, was er erreichen wollte.“ Dem Schauspieler, der bereits im Januar im Stadttheater den Titelpart in Albert Camus „Caligula“ virtuos und Aufsehen erregend verkörpert hat, ist der biblische Antiheld übrigens keineswegs vertraut: „Ich bin ein sehr großer Religionskritiker und nicht sehr religiös aufgewachsen.“

Die niederländische Autorin Lot Vekemans (51) war vor einem Jahr erst mit ihrem Erfolgsstück „Gift“ in einer Stadttheater-Produktion vertreten. Ihr „Judas“-Monolog ist seit der deutschen Erstaufführung 2010 in München auf vielen Spielplänen aufgetaucht. Für Stadttheater-Intendant Werner Müller passt das Stück freilich auch perfekt zum aktuellen Saisonmotto („Was glaubst denn du?“). Entscheidend sei für ihn bei der Planung aber auch gewesen, ob Sebastian König „Zeit und Lust“ hat. Als Regisseur habe er nämlich den 35-Jährigen sofort für diese Aufgabe vor Augen gehabt.

Interessantes Böses

König nickt. „Ganz schnell“ habe er zusagen können, weil ihn dieser Judas reizt: „Das Schlimme ist ja, dass die Bösen beinahe immer die Interessanteren sind.“ Heftiges Kopfschütteln: „Nein, die netten Typen sind überhaupt nichts für mich. Im Job nicht. Und im Leben eigentlich auch nicht.“ Seine ganz persönliche Version der Vorhölle sähe dann vermutlich so aus: „200 Mal die gleiche Rolle etwa im ,Weißen Rössl‘ spielen.“

Steht im Moment aber nicht an, weil er seine Einsätze sehr bewusst auswählt und im Vorfeld abklärt, wohin der Regisseur zielt. Sein Credo klingt so: „Ich finde, dass Theater politisch sein soll. Wenn das so viel Reibung erzeugt, dass im Publikum Widerspruch erregt wird, dann ist für mich mein Auftrag erfüllt.“ Einen Dialog mit dem Publikum will er anstoßen und macht klar: „Die Verantwortung des Theaters beginnt nicht mit der Aufführung und endet mit dem Schlussvorhang. Das muss ganz entschieden weiter gehen.“

Als Junge, erinnert sich Sebastian König, hat er vor dem Fernseher gehockt und begeistert bei MTV die spannenden Theater-Einsätze von Christoph Schlingensief in der Berliner U-Bahn angeschaut: „Das war mitreißend und hat mich für die Bühne infiziert.“ Seine Forderung: „Theater muss sich allgemein viel mehr trauen.“

Er selbst traut sich jetzt an einen 35-Seiten-Monolog und gibt zu: „Ich hab‘ völlig unterschätzt, wie viel Arbeit das Auswendiglernen war.“ Für den Schauspieler, der seine Ausbildung am Max Reinhardt Seminar in Wien mit Auszeichnung abschloss, ist es das erste Bühnen-Solo. Fehlt ihm das Ensemble? „Ja, schon.“ Die Begründung leuchtet ein: „Es ist nett, wenn man abends noch einen trinken geht.“ Vereinsamt sei er in der Probenzeit jedoch nicht: „Ich kann sehr gut mit mir alleine klar kommen.“

„Judas“, ein Monolog von Lot Vekemanns: Premiere 1. Dezember (ausverkauft), weitere Vorstellungen 2. und 3. Dezember, sowie 8., 9. und 10. Dezember und 2., 3. und 4. Februar, jeweils 20 Uhr im Kulturforum. Theaterkasse: Tel. 0911/974 24 00 Ã Fax 0911/ 974 24 44 Ã Mail theaterkasse@fuerth.de

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