Lobreden auf die Preisträgerin aus Fürth

25.3.2017, 17:38 Uhr
Lobreden auf die Preisträgerin aus Fürth

© Foto: Markus Kohler

Drei Bücher unter den zwölf Vorgestellten ragen heraus, drum wurden sie in der literarischen Diskussion auch besonders gewürdigt. Verehrer von Brigitte Bardot dürften sich sicher noch an den Film "Die Wahrheit" (1960) von Henri-Georges Clouzot erinnern; die Geschichte eines leichtlebigen Mädchens, das ihren Verlobten erschießt und vor Gericht um ihre Sicht der Dinge kämpft. Die wahre Story, die dahinter steckt, ist noch um einiges aufregender: Eine hochbegabte junge Medizinstudentin ließ sich unter der deutschen Besatzung mit einem deutschen Arzt ein, was ihr nach der Befreiung die Schmach und Schande als Kollaborateurin eintrug. Als sich ihr späterer Verlobter von ihr abwandte, nachdem sie ihm die Wahrheit erzählt hatte, erschoss sie ihn im Affekt. Nach der Haft ließ die Verstoßene sich in Marokko nieder.

Der Autor Jean-Luc Seigle rollt diese Geschichte in seinem Roman "Ich schreibe Ihnen im Dunkeln" nicht als Tatsachenbericht, sondern als Lebensbeichte und Liebesbrief an den nächsten Geliebten aus Sicht seiner Heldin. Dabei nimmt Seigle laut Einschätzung von Edelmann-Buchhändler Martin Schmidt auch Anleihen bei der griechischen Tragödie und speziell bei Iphigenie.

VHS-Leiter Felice Balletta hätte gerne Gleichwertiges an seine Seite gestellt, indes scheint Lorenzo Marones Roman "Glück ist, was wir daraus machen" nach seiner Einschätzung nur ein weiteres Beispiel der Literaturform "Lebensweisheiten, flockig unters Volk gestreut". Eine zu kurz gekommene Juristin in Neapel beschattet eine Frau, um ihr Lieblosigkeit nachzuweisen, damit ihr überdrüssiger Gatte einen Grund hat, sich von ihr scheiden zu lassen. Dummerweise ist die Geschichte nicht nur ziemlich vorhersehbar, es endet überdies jedes Kapitel mit einer philosophischen Sentenz, was auf die Dauer nur noch penetrant wirkt.

NN-Kulturredakteurin Katharina Erlenwein schließlich preist Natascha Wodins biografischen Roman "Sie kam aus Mariupol", soeben mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet, nach allen Regeln der Kunst. Wodin ist nicht nur in Fürth geboren, sondern hatte voriges Jahr beim "Lesen!"-Festival aus ihrem damals fast fertigen Roman vorgetragen. Dieses Werk gliedert sich in drei Abschnitte: in Wodins Recherche ihrer Familiengeschichte, in die Geschichte ihrer Tante und schließlich in die Beschreibung von Wodins Kindheit in Fürth, Nürnberg und Forchheim als Kind von Zwangsarbeitern, deren Rückkehr nach Russland verbaut war.

Kürzer und knapper gaben Stadtpressesprecherin Susanne Kramer, Elisabeth Zeidler und Cornelia Bley-Rediger in der Schnellrunde ihre Empfehlungen. Besonders hellhörig machten dabei T.C. Boyles Quasi-SF-Roman "Die Terranauten" über acht Männer und Frauen in einer abgeschotteten Biosphäre, Steve Silbermans Sachbuch "Geniale Störung" über den Autismus und dessen Erforschung sowie Yuval Noah Hararis Spekulationen über unsere Zukunft. Die kann sowohl apokalyptisch als auch segensreich verlaufen — doch wie wird sich der "Homo Deus" entscheiden? Und was nützen schon Roboter, die in Nanogröße unsere Adern von Kalkablagerungen befreien, wenn ein Hacker die Software der kleinen Untermieter umprogrammiert?

Alles in allem ein unterhaltsamer Buchvorstellungsabend. Man hätte aber doch gern richtig kritische Töne vernommen oder mal einen saftigen Totalverriss. Dafür waren die Rezensenten zu gnädig gestimmt.

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