Lücke geschlossen

22.8.2008, 00:00 Uhr
Lücke geschlossen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

«Es gibt sie doch nicht - die bislang angenommene Lücke in der Besiedlung Fürths zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert«, erklärt Altstadtvereinschef Thomas Werner, der zugleich die Arbeitsgruppe Archäologie leitet. Die Tonscherben, die er und seine Mitstreiter im Altbau Marktplatz 11 aus dem Boden gefördert haben, ließen sich anhand von Nürnberger Vergleichsstücken in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datieren. «Frühe Karnies-Keramik«, wie Werner fachkundig urteilt. Zu erkennen an den langgezogenen, umgeschlagenen und mit dem Daumen gegen das Gefäß gedrückten Rändern.

Es handelt sich um sehr bauchige, unglasierte Gefäße, die Spuren der Drehscheibe aufweisen. Leider ist es den Archäologen bislang nicht gelungen, genug Fragmente für die Rekonstruktion ganzer Gefäße zusammenzubringen. So lassen sich die Funde kaum so eindrucksvoll präsentieren wie die Ergebnisse der früheren Grabung im Stadelershof.

«Krümelkram«

Der «Krümelkram« von dem Werner spricht, stellt allenfalls die vier bis sechs vor Ort tätigen Archäologen zufrieden. Für sie zählt die Erkenntnis, dass auch im 13. Jahrhundert im Fürther Ortszentrum Menschen gelebt haben, die Müll produzierten.

Eine Lanzenspitze war auch bei den Fundsachen. Allerdings derart korrodiert, dass sie aufwändig restauriert werden muss. Darüber hinaus fand man aufschlussreiche Spuren der früheren Gastwirtschaft «Zur Sorg«, die 1605 anstelle eines vermutlich kleineren Gebäudes errichte worden war. Die Schänke muss eine zum Marktplatz hin offene Tenne mit gestampftem Lehmfußboden gewesen sein - wie man sie von Gemälden Pieter Brueghels her kennt.

Bis ins 17. Jahrhundert hinein muss hier deftig gezecht worden sein, vermutet Werner. Wie die Spuren verraten war die Tenne mehrfach ausgebessert, später sogar mit einem Dielenfußboden versehen worden, der jedoch flächig abgebrannt ist. Nach dem Dreißigjährigen Krieg ist das Gebäude wieder aufgebaut worden und beherbergte dann die Sternapotheke.

1,30 Meter tief

Jetzt soll der Altbau generalsaniert werden. Der Bauherr willigte ein, dass die Archäologen vorab den Untergrund erforschen können. 1,30 Meter tief haben sie sich bereits in den Boden gegraben. So tief, dass der Statiker allmählich nervös wird. «Wir müssen hier akribisch dokumentieren, weil Quellen aus dieser Zeit rar sind«, sagt Werner.

Die Ausgrabungen gestalteten sich ziemlich schwierig, da sich die Hobby-Archäologen erst einmal durch eine dicke Schicht aus Bauschutt hindurchwühlen mussten. Vorsichtig, um mögliche Spuren der Baugeschichte nicht zu zerstören. Dieses Schuttpaket zeugt nach Ansicht des an den Ausgrabungen beteiligten Fürther Geologen Markus Tarasconi möglicherweise von der 1634 vermuteten Zerstörung des Gebäudes beim Fürther Großbrand durch kroatische Söldnertruppen im Dreißigjährigen Krieg.

Dass die Archäologengruppe doch einmal auf den sagenumwobenen Königshof stößt, schließt der Altstadtvereinschef zumindest an dieser Stelle aus. Das Gebiet zwischen Markt- und Helmplatz sei nach allen bisher vorliegenden Indizien nicht vor der Ottonischen Zeit (frühes 11. Jahrhundert) besiedelt worden. Das könne man wiederum an Keramikscherben festmachen: sehr bröselig, da sauerstoffarm gebrannt, noch nicht auf Scheiben gedreht, dafür aber mit Glimmer versetzt und mit wellenförmigen Verzierungen, die mit Gabeln in den Ton gezogen wurden.

«Wenn es ein karolingische Fürth gegeben hat, dann an anderer Stelle«, meint Werner Auch die von Boener gestochene Ruine der Martinskapelle sei kein Beweis für den Königshof. Denn ihre Spuren gingen nicht hinter die Zeit um 1250 zurück. Was dem Archäologen zu denken gibt ist die im Fürther Urkataster von 1822 festgehaltene viergeteilte Siedlungsstruktur des historischen Gänsbergs. Diese deute auf ein früheres römisches Militärlager hin.

Das wiederum würde bedeuten, dass Kaiser Karl auf seinem Weg gar keinen Königshof an der Furt gründen musste, da er auf die römischen Relikte zurückgreifen konnte. Dass die Römer von Weißenburg aus nach Fürth gekommen sein müssen, hält Werner für sehr wahrscheinlich. Schließlich war das Rednitztal bereits seit der Bronzezeit eine stark frequentierte Handelsstraße, die in der Hallstattzeit durch die Querverbindung des Pegnitz- und Zenntals aufgewertet worden ist.

Das 13. Jahrhundert ist am Marktplatz 11 bereits dokumentiert. Insgeheim hofft Werner noch auf Fundstücke aus dem 10. Jahrhundert. Da Straßenraum und Freiflächen im Laufe der Geschichte starken Veränderungen unterworfen waren, sind die Schichten unter Altbauten für die Archäologen von besonderem Interesse. Ein Glücksfall, wenn Bauherren ihnen wie am Marktplatz zugestehen Forschungsarbeit zu betreiben.

Die Arbeitsgruppe Archäologie bereitet sich selbst derzeit auf einen Umzug vor: Sie muss ihr bisheriges Quartier im Rathauskeller räumen um einem privaten Kriminalmuseum Platz zu machen. Die neue Bleibe ist jedoch nicht weit davon entfernt. In den Räumen über dem Garagenbau im Rathaushof können die Archäologen künftig ihre Fundstücke bearbeiten, katalogisieren und Ausstellungen vorbereiten. Ein guter Platz wie der Leiter der städtischen Gebäudewirtschaft, Ralf Röder, meint. Er gehört selbst seit vielen Jahren schon der Gruppe an.