Magie der Höhlenmalerei

22.6.2018, 18:00 Uhr
Magie der Höhlenmalerei

© Foto: Frank Kreuzer

Was ist denn das? Links ein runder Tierkopf mit großem Auge und einem großen Ohr. Ihm gegenüber ein kantiger Tierkopf mit einem Zacken auf der Schnauze. So treffen sich "Maus und Rhino", auch wenn der Größenmaßstab nicht stimmt und die Maus eher einem Hamster ähnelt. Und hier? Kleine Kreise mit gebogenen Schweifen. Sind das Sternschnuppen? Oder vielleicht "Engel"?

Die Gabe der Zeichen- und Musterdeutung haben uns unsere Urvorfahren aus der Steinzeit vererbt. Zumindest diejenigen, die so gewitzt waren, aus dem Gewirr des Unterholzes die Umrisse eines Raubtiers, das Muster eines Säbelzahntigers herauszulesen. Die gaben ihre Fähigkeit zur fein abgestuften Bildinterpretation im Erbgut weiter. Wer nicht so sehend war, den hat unweigerlich der hungrige Tiger gefressen.

Darum auch glauben wir, gelegentlich Bilder zu erkennen, wo niemand Hand angelegt hat. Wo stattdessen jahrelang gewerkelt worden ist, wo Eisenstangen entlang geschrammt waren, Farbspritzer getrocknet sind, Wände mehrfach in verschiedenen Farben übertüncht und abgeblättert sind, dass es zu einem buntes Putz-Patchwork kommt.

Kuriose Gebilde

Auf diese Weise entstehen kuriose Gebilde. Und da unser Gehirn darauf geeicht ist, aus jedem Zeichen eine Bedeutung herauszulesen, schaltet es bei Irritationen den Rückwärtsgang ein. Dann lesen wir Bedeutungen hinein, die so gar nicht beabsichtigt waren.

So gesehen, handelt es sich bei den Fleckbildern und Reifenabdrücken, die Hope und Dieter Lersch von Böden und Wänden abfotografiert haben (ohne nachträgliche Bearbeitung, wie sie versichern) um Readymades, um vorgefundenes Material. Indes lotst der Bildausschnitt und -winkel den Betrachter auf den Weg der Interpretation. So deuten wir einen schwarzen Ölfleck als eine Augenmaske, und schon tritt die nächste Assoziation in Gang: das könnte vielleicht das "Phantom der Oper" sein.

Zugegeben: die Bildtitel, die Dieter und Hope Diane Lersch ihren Fotografien geben, geleiten den Betrachter gelegentlich allzu schnell in die gewünschte Richtung. Manche Bilder scheinen mehreren Deutungen offen zu stehen, als der Bildtitel suggeriert.

Ein rätselhaftes Bild, das man durchaus als Schnecke mit ausgestreckten Fühlern von oben betrachtet interpretieren mag, heißt "Lascaux". Ein Hinweis auf unsere Urvorfahren, die an den Höhlenwänden ihre enorm stilisierten Bilder von Tieren und Figuren hinterlassen haben. So gesehen, sind die zufällig entstandenen Werkstatt- und Kellerbilder Höhlenmalereien des 20. und 21. Jahrhunderts.

Z"Kunst", bis Ende September in der Boutique de Provence, Amalienstr. 65. Mi. bis Fr. 16 bis 19 Uhr, Sa. 10 bis 14 Uhr

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