Maßanfertigungen beim Arbeitsschutz

29.8.2013, 22:00 Uhr
Maßanfertigungen beim Arbeitsschutz

© Pfeiffer

Dirk Breitenberger kommt aus dem Vertrieb. Der 47-Jährige weiß, wie er sein Produkt eindrucksvoll präsentiert. Also mal in Zeitlupe: Ein Projektil schießt durch die Luft, trifft auf ein Brillenglas. Ungebremst. Das kann ein Metallsplitter sein, ein abgebrochener Bohrer oder eine Keramikscherbe – irgendetwas, womit ein Arbeiter an der Werkbank zu tun hat. Im Film, den Breitenberger zeigt, schlägt dieses Etwas durch das Glas, dringt durchs Auge in den Kopf. Autsch! Das war’s dann wohl. Auch bei beschichteten Scheiben sind die Folgen noch dramatisch. Das Projektil wird zwar abgelenkt, dafür schießen Glassplitter ins Auge.

Mit einer hochwertigen Brille, sollen die Videos demonstrieren, wäre das nicht passiert. Vor allem aber machen die Aufnahmen deutlich, wie wichtig eine Arbeitsschutz-Brille ist. Das wissen eigentlich alle. Weil aber die schützende Brille unbequem ist, weil man die persönliche Sehschwäche sowieso mit einer eigenen Brille korrigiert… Immerhin 40 bis 50 Prozent aller Erwachsenen sind fehlsichtig und müss(t)en eine Brille tragen. Gerade an gefährlichen Arbeitsplätzen.

Pupille ganz nah

Hier setzt uvex an. Eine Sehhilfe, die nicht nur den EU-Normen genügt, sondern die individuell angepasst ist, erhöht die Akzeptanz des Schutzes – die Brille wird zum täglichen Begleiter. Deshalb sind elf eigene Optiker in Betrieben unterwegs, messen Pupillendistanz und andere Parameter aus und lassen die Beschäftigten ihren Liebling unter mehr als 50 verschiedenen Fassungen wählen. Anderswo kooperieren Optiker-Ketten.

In Burgfarrnbach, im ehemaligen Filtral-Gebäude an der Siegelsdorfer Straße, werden die Scheiben – „Gläser“ sagen nur Laien und überhaupt sind 90 Prozent aller Scheiben aus Kunststoff – dann individuell geschliffen und eingepasst. Ein Mensch, eine – seine – Brille!

Dirk Breitenberger hat sich reingefuchst. „Ich lege Wert darauf, dass ich weder Optiker noch ein anderer Gesundheitstechniker bin!“, sagt er. Aber der Wirtschaftsingenieur, der seit 21 Jahren bei uvex arbeitet und verschiedene Positionen vor allem im Vertrieb innehatte, leitet seit 2010 die strategische Einheit „Occupational Health“ mit 50 Mitarbeitern. Den Bereich also, der die Spezialanfertigungen für Optik, Akustik und Orthopädie zusammenfasst.

Blitzableiter Schuh

Die Arbeitsschuhe zum Beispiel. Gar nicht so einfach: Die müssen ja nicht garantieren, dass die Zehen einen fallenden Backstein überleben, sondern sie müssen elektrisch ableiten. Zum einen kann ein Elektroniker ja mal einen Stromschlag bekommen, zum anderen dürfen sich Facharbeiter beispielsweise in der Leiterplattenfertigung nicht statisch aufladen. Selbst kleinste Entladungen können die sensiblen Elektronikteile unbrauchbar machen…

Dem eigenen Plattfuß oder dem leidigen Fersensporn mit einer „privaten“ Einlage zu begegnen, die das nicht leistet, kann deshalb im Unfall-Fall auch rechtliche Konsequenzen haben. Um den Markt muss sich Breitenberger eigentlich keine Sorgen machen: Schon jetzt sind 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung, salopp gesagt, fußlahm, der Anteil wird in den nächsten Jahren auf ein Viertel wachsen. Darunter leidet die Arbeitsfähigkeit. Knieprobleme, Rückenschmerzen, Krankheitstage – der klassische Dreisprung.

Oder Hören, zum Beispiel. Lärmschwerhörigkeit mache mit jährlich rund 6000 Fällen den dicksten Brocken bei der Frühverrentung aus, berichtet Dirk Breitenberger. Klar, wer die Kollegen nicht versteht und die Alarmsignale seiner Maschine überhört, gefährdet sich selbst und andere. Weshalb uvex auch individuell angepassten Gehörschutz herstellt. Nicht die Micky-Maus, sondern filigrane Stöpsel.

„Jeder Gehörgang ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck“, sagt der Chef. Spezielle Filter können bestimmte Frequenzen dimmen, andere Töne aber passieren lassen. Oder, wenn ein Hörgerät nötig ist, hat die Hersbrucker Firma Hörluchs eines entwickelt, das sich automatisch der Umgebungslautstärke anpasst.

Schlichte Kalkulation

Das kostet mehrere tausend Euro. Die Gegenrechnung allerdings ist so schlicht wie eindrucksvoll: Arbeitskraft und Knowhow eines gut ausgebildeten Mitarbeiters bleiben erhalten.

Was auch für den Gehörschutz – 120 Euro – gilt, den man ja nur gegen Einmalstöpsel kalkulieren kann. Nach zwei Jahren ist er „drin“. Oder die Arbeitsschutzbrille, die wesentlich günstiger als eine private Brille, aber genauso sorgfältig gearbeitet ist.

Dirk Breitenberger, der sichtlich stolz durch die Labors führt, denkt längst schon weiter. Zivilisationskrankheiten interessieren ihn mächtig. Diabetes zum Beispiel habe jährlich zweistellige Zuwachsraten. Wir essen besser, wir werden älter, wir arbeiten länger – und benötigen als Zuckerkranke dann auch an der Arbeit einen Schuh, der an keiner Stelle drückt. Breitenberger hat da schon Ideen...

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