Schlecker: Maßlose Enttäuschung macht sich breit

6.6.2012, 09:00 Uhr
Schlecker: Maßlose Enttäuschung macht sich breit

© Hans-Joachim Winckler

Fünf Schlecker-Filialen gibt es noch in der Stadt, ebenso viele im Landkreis. In jeder sind nach Angaben von Adriana Soldo, der Schlecker-Betriebsratsvorsitzenden im Bezirk Fürth, zwei bis drei Mitarbeiterinnen beschäftigt. Die meisten schon seit vielen Jahren.

Deprimierend empfindet es Oberbürgermeister Thomas Jung, dass diese Stützpunkte der Drogeriemarktkette von der ersten Schließungswelle im März verschont geblieben waren, weil sie zu den lukrativeren Filialen zählen. Öl ins Feuer gießt die Betriebsratsvorsitzende mit ihrer Feststellung, dass sämtliche Geschäftsstellen im Mai schwarze Zahlen geschrieben haben. Soldos Hoffnung, dass die meisten der im März Gekündigten in anderen Schlecker-Filialen neue Arbeit finden, hat sich nicht erfüllt.

Überhaupt nimmt sich die Arbeitsmarkt-Bilanz bei Schlecker-Kräften bescheiden aus. 80 Prozent der im März Gekündigten haben laut Soldo noch keine neue Beschäftigung gefunden. Die stellvertretende Leiterin der Fürther Arbeitsagentur, Sieglinde Herrmann, spricht auf Anfrage der FN von zwei Dritteln. Etliche Betroffene seien dabei in Bildungsprogramme der Agentur vermittelt worden – etwa zum Bewerbungstraining.

Angesichts des Durchschnittsalters der hiesigen Schlecker-Mitarbeiterinnen von 47 Jahren macht sich Soldo ungeachtet der überwiegend großen Berufserfahrung wenig Hoffnung. Schließlich habe Schlecker die Weiterentwicklung, etwa im IT-Bereich, vernachlässigt, was die Chancen auf dem Arbeitsmarkt schmälere.

Nicht ganz so schwarz sieht indes der Fürther OB. Der hiesige Arbeitsmarkt sei durchaus noch aufnahmefähig, meint Thomas Jung. Allerdings müssten die Arbeitssuchenden auch flexibel sein. „Rege Nachfrage“ nach Verkaufskräften im Handel registriert auch Agenturfrau Herrmann. Vorzugsweise jedoch in den Geschäftszentren jenseits der Stadtgrenze.

Schwere Zeiten für Belegschaft 

Schwere Zeiten sieht die Betriebsratsvorsitzende auf die restliche Schlecker-Belegschaft zukommen. Der Ausverkauf in Filialen, die manche der hier Tätigen noch selbst mit aufgebaut hatten, strapaziere die Nerven. Das bestätigt Renate Huber, die seit zwölf Jahren in der Filiale Ludwigstraße arbeitet. Die ständigen Nachfragen, wann denn der Abverkauf endlich beginne, kann sie schon nicht mehr hören.

Illusionen hinsichtlich der Beschäftigungschancen macht sie sich keine. „Die Entlassenen werden in Schulungen gesteckt, schon fallen sie aus der Arbeitslosenstatistik heraus“, sagt die Fachfrau. Von der Politik fühlt sie sich im Stich gelassen. Sie kann es einfach nicht verstehen, dass der Automobilkonzern Opel Finanzspritzen erhalten und Produktion ins Ausland verlagern konnte, während für 25000 Schlecker-Beschäftigten kein einziger Euro erübrigt wurde.

Das Versagen der Politik macht auch Jung neben falschen unternehmerischen Weichenstellungen für den Untergang der Drogeriemarktkette verantwortlich. Maßlos enttäuscht ist Adriana Soldo von Firmenchef Anton Schlecker, der die Aussichten auf ein Überleben des Unternehmens an acht Millionen Euro habe scheitern lassen. Bitter ist das Ende von Schlecker für die Gewerkschafterin schon angesichts des vergleichsweise hohen Organisationsgrades. 70 Prozent der Mitarbeiterinnen sind ver.di-Mitglieder.

„Wir haben gekämpft, wir haben alles gegeben“, skizziert die Betriebsratsvorsitzende den Einsatz in den vergangenen Monaten. Was auf die Beschäftigten zukommt? „Ich weiß es nicht, wir müssen die Kündigungen abwarten“, sagt Soldo. Der OB denkt vor allem „an die Einzelschicksale, die sich hinter den Zahlen der Arbeitslosen verbergen“.

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