Mathieu Carrière in Fürth: Ein Geier ohne Angst

10.2.2016, 16:00 Uhr
Mathieu Carrière in Fürth: Ein Geier ohne Angst

© Foto: Bo Lahola

Mathieu Carrière kocht Kaffee, zieht ab und zu an einer Zigarette. Ein Morgenritual in seiner Hamburger Wohnung, das sich am anderen Ende der Leitung in Fürth akustisch prima mitverfolgen lässt. Nein, Berührungsängste sind kein Thema für den 65-Jährigen. Wer seinen Namen bei Google eingibt, erntet knapp 400 000 Einträge, und schon unter den ersten sieben fallen Begriffe wie „Eiswürfel-Pinkler“ oder „Ein Mann zieht blank“ ins Auge. Um die öffentliche Meinung, so viel scheint sicher, hat er sich nie sonderlich geschert. Was hat ihn so unabhängig gemacht?

„Ich bin angstfrei.“ Ein Bekenntnis, das er untermauern kann. „Sachen, die ich nicht kontrollieren kann, machen mir keine Angst.“ Deshalb steige er zum Beispiel völlig entspannt in ein Flugzeug. Oder habe früher als Kind Schlangen gefangen. „Und die Frösche zum Füttern dazu.“ Seine Jugend verbrachte der Mann, dessen französischer Name von hugenottischen Vorfahren herrührt, unter anderem in der Nähe von Lübeck. Sein Vater war Neurologe und Psychiater, die Familie lebte in einer Wohnung auf dem Psychiatriegelände. „Das war eine Schule fürs Leben.“

Mit 13 steht er als junger Tonio Kröger in Rolf Thieles Verfilmung zum ersten Mal vor der Kamera. „Ich mochte den Job nicht.“ Es klingt, als hadere er bis heute mit einer Frage, die er sich selbst stellt: „Warum sollte man vor anderen Leuten emotional die Hosen herunterlassen?“ Lange Zeit habe er sich nicht darauf einlassen können: „Ich habe das ja nicht gelernt, das kann man nämlich gar nicht lernen.“ Allerdings hat er eine Definition für seinen Beruf: „Schauspieler sein heißt, täglich als ein Nichts an seiner Seele arbeiten.“

Ihn überrascht absolut nicht, dass „die Leute direkt eine Meinung über mich“ haben. Wie die ausfällt, beantwortet er selbst: „Skandalmaschine. Einer, der sich ans Kreuz schlagen lässt und in TV-Shows in Damenunterwäsche auftritt.“ Die weiblichen Dessous legte er bei „Promi Shopping Queen“ an: „Das hat Spaß gemacht. Wir haben das Format verarscht.“

Demo mit Dornenkrone

Spannender ist die Sache mit dem Kreuz. Denn Carrière gilt vielen als Leitfigur im Einsatz für Väterrechte. Jahrelang kämpfte er nach dem Beziehungsende mit der Ex-Lebensgefährtin um das Sorgerecht für seine zweite Tochter. Als ihn Reporter 2004 mit dem Mädchen auf dem Arm fotografieren, wird er nach einer Klage der Mutter zur Zahlung eines Ordnungsgelds verurteilt. Er weigert sich, geht stattdessen für zehn Tage in Haft und lässt sich bei einer Demonstration mit Dornenkrone und Lendenschurz vor dem Bundesjustizministerium an ein Kreuz binden.

Ist es nicht eine merkwürdige Pointe, dass eben jene Tochter, die damals nicht fotografiert werden sollte, jetzt mit 19 Jahren angeblich bei Heidi Klums nächster Topmodel-Such-Staffel dabei sein wird? „Dazu sage ich nichts“, erklärt Carrière. Und lacht. Warum die Heiterkeit? „Die galt nur der Formulierung der Frage.“

Zu den Höhepunkten in Sachen Aufmerksamkeit im Berufsleben des Mathieu Carrière zählt zweifellos seine Rolle in „Die flambierte Frau“. 1982 konnte sich eine komplette Generation Frauen im Kino kaum sattsehen. Wie bekommt einem schönem Mann das Altwerden? „Ich habe jahrelang darunter gelitten, hübsch zu sein. Jetzt sehe ich gut aus, damit bin ich ganz zufrieden.“ Das Schönste im Leben sei eh die Transformation. Buddhist wäre er gerne: „Aber ich bin zu unruhig, um irgendeine diesseitige Form der Erleuchtung zu erlangen.“ Ein klein wenig unvermittelt folgt die Erkenntnis: „Wir werden eh alle zu irgendwelchen Tieren.“ Okay. Welches ist er heute? Kurze Pause. „Heute bin ich ein alternder Geier.“

Auf der Bühne der hochgelobten Inszenierung der Hamburger Kammerspiele von „Unsere Frauen“ wird er einen Mann spielen, dessen bester Freund die nervige Gattin erwürgt hat. „Das Stück ist sehr gut“, lobt der Schauspieler, „bittersüße Unterhaltung, die wirklich jedem Spaß macht.“ Rasch erkundigt er sich noch nach Fürth: „Da war doch ,Quelle‘, nicht wahr? Das Amazon von früher.“

Kann man so sagen. Und dann rufen in Hamburg die ganz normalen Morgenpflichten: „Der Hund muss raus. Und wo habe ich bloß die Kaffeetasse hingestellt. . ?“

„Unsere Frauen“: 13./14. Februar, jeweils 19.30 Uhr, Stadttheater. Karten (11-36 Euro) im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 2162777)

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