Minnelieder aus dem Berberland

24.10.2016, 16:50 Uhr
Minnelieder aus dem Berberland

© Foto: Øystein Torheim

Houria Aïchis Heimat, das wilde algerische Berberland, ist touristisch kaum erschlossen, nur gelegentlich schaut der Reisende über die streng kontrollierte Grenze. Schon Karl May faszinierte die romantische Kulisse des Aurès-Gebirges. In Erinnerung an die Großmutter hat Aïchis Marketing einen zugkräftigen Namen für die Sängerin gefunden: „Troubadessa des Maghreb“ – auch wenn sie immer noch in Paris lebt und die sie begleitende Gruppe aus Straßburg kommt.

Dass der Abend im Kulturforum trotzdem eine Menge Authentizität in der Berbersprache Chaouis transportierte, liegt am Gesang, an den Tanzfiguren, der Ausstrahlung dieser ungewöhnlichen Sängerin. Und es liegt an den Instrumenten des Ensembles L’Hijaz’Car, Oud, Tarhu, Hajonj, Daf, Bendir, Derbanka – Lauten und Schlagwerk, vor allem Rundtrommeln, dazu Kontrabass und sogar ein Banjo. Das kommt, wie „Passagen“- Programmchefin Ursula Adamski-Störmer in ihrer Einführung erklärte, ursprünglich nicht aus den amerikanischen Südstaaten, sondern aus Afrika. „Cavalliers de l’Aures“, so der Titel des Programms und des preisgekrönten Albums, widmet sich der Liebe in bearbeiteten algerischen Traditionals, die ein bisschen auf Ethno-Pop und sehr stark auf Elemente des Jazz getrimmt sind.

Houria Aïchi, äußerlich Französin durch und durch, mit dem Herzen aber offenkundig noch im Berberland verwurzelt, wirkt wie eine Edith Piaf Nordafrikas mit graziösen, leidenschaftlichen Bewegungen, aufgerautem Timbre und den typischen vokalen Kunststücken der arabischen Musik. Man hört und spürt die Leidenschaft der Berberfrauen, wenn sie abends zusammen singen, in Vokalisen, mit stampfenden Rhythmen, von den Männern, die von den Bergen ins Dorf zurückreiten und ihrer Liebsten ein „Bonbon“ mitbringen.

Lebendige Sehnsucht

Aïchi erzählt zu manchen Liedern ihre Erinnerungen – und man fragt besser nicht, wie die Realität zwischen Tell-Atlas und Sahara heute wohl aussehen mag. Jedenfalls klingt das in Aïchis Lesart nicht nach unterdrückten, sondern selbstbewussten Frauen. Die Troubadessa imaginiert im Schummerlicht des Kulturforums dieses traditionelle Umfeld, in das ihre Lieder gehören, singt von den Träumen, den Sehnsüchten nach schönen jungen Männern mit Turban und Schmuckkette („Le chevalier, le cheval et sa dame“). Und wenn sie die Hände aufs Herz legt, weiß man, dass diese Sehnsüchte auch nach Jahrzehnten in ihr lebendig geblieben sind.

Was L’Hijaz’Car dazu beiträgt, ist das Farbspektrum der Instrumente, eine exzellente Melange aus den Elementen arabischer Musik und des Jazz, aus Orient und französisch geprägtem Westen. Houria Aïchi will ihre Lieder als eine Hommage an die starken algerischen Frauen verstanden wissen. Und so singt sie denn von deren Liebe und Einsamkeit, von den Männern im Exil und im Krieg.

Nächster „Passagen“-Termin am 12. November, 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2): „Tanz! – Die Ständchen der Dinge“ mit der Tiroler Musikbanda Franui. Karten (25/20 Euro) im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 2 16 27 77).

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