Mit Argumenten in „leichter Sprache“ gegen die AfD

6.11.2016, 14:00 Uhr
Mit Argumenten in „leichter Sprache“ gegen die AfD

© Archivfoto: Winckler

Zu Beginn gleich ein paar Zitate: Etwa eine Aussage von AfD-Partei-Vize Alexander Gauland, der zum Thema Flüchtlinge gesagt hat, man müsse die Grenzen dichtmachen, die grausamen Bilder aushalten und könne sich nicht von „Kinderaugen erpressen lassen“. Oder die Einlassungen von Björn Höcke, Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD Thüringen, der schwadroniert: „Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat. Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat.“

Sprache kann entlarven, und deshalb stehen Sätze wie diese am Anfang von Rüdiger Lösters Vortrag. Der Geschäftsführer der Bezirks-SPD und Sprecher des „Arbeitskreises gegen Rechts“ der Nürnberger Sozialdemokraten beschäftigt sich seit weit über 40 Jahren mit den Themen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Und für ihn ist klar, wo die AfD und ihre Protagonisten stehen. Ursprünglich eine von Professoren gegründete Wirtschaftspartei, die sich gegen den Euro und die Rettung Griechenlands wandte, habe sich die AfD insbesondere seit Abspaltung ihrer Gründer wie etwa Bernd Lucke zur „radikal rechten Bewegungspartei entwickelt“, konstatiert Löster.

Hass-Mails mit Namen

In zehn Landesparlamenten ist die AfD inzwischen vertreten, dazu im Europaparlament. Dort knüpfe sie Verbindungen zu extremen Kräften, beispielsweise zum französischen „Front National“. Dank der Fraktionsgelder, Abgeordneten-Diäten und bezahlter Mitarbeiter verfüge die AfD auch über finanzielle Liquidität. Die NPD habe nie so große Wahlerfolge gehabt, sagt Löster. Doch im Gegensatz zu den Rechtsextremisten trete die AfD bürgerlicher auf, für viele Menschen sei sie deshalb „wählbar“. Dazu komme noch eine andere Entwicklung: „Das gesellschaftliche Klima“, weiß Löster, „hat sich nach rechts bewegt.“ Radikale Ansichten sind mehr und mehr salonfähig und werden ungeniert vertreten. Seien früher Briefe oder Hass-Mails anonym gekommen, trügen sie nun Namen und Adresse.

Mit Argumenten in „leichter Sprache“ gegen die AfD

© Archivfoto: Pfrogner

Das AfD-Programm bezeichnet der Nürnberger als „weichgespült“, trotzdem lasse es im Kern tief blicken. Die geforderte Abschaffung des Euro hätte für die Export-Nation Deutschland eine gewaltige Wirtschaftskrise zur Folge. Die Energiewende werde abgelehnt, das Familienbild sei reaktionär. „Wenn wir die Mehrheit haben, wird es einen umfassenden Staatsumbau geben“, so zitiert Löster die AfD-Sprecherin Frauke Petry von ihrem Auftritt in der Nürnberger Meistersingerhalle vor wenigen Wochen. „1933 gab es schon einmal jemanden, der einen umfassenden Staatsumbau gemacht hat“, sagt Rüdiger Löster.

Keine Berührungsängste habe auch das AfD-Personal vor Ort gegenüber Rechtsextremisten, etwa Martin Sichert und Helene Roon, die als Bundestagskandidaten für Nürnberg nominiert seien. In der Region arbeite die AfD mit der rassistischen BI „Sichere Heimat“, der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ und „Pegida“ zusammen. Schnittpunkte gebe es auch zu den sogenannten „Reichsbürgern“. Doch wie dieser Partei begegnen, die selbst ihr inzwischen ausgetretener Mitbegründer, Ex-BDI-Präsident Olaf Henkel, als „Monster“ bezeichnet? Auf keinen Fall dürfe die Politik den Wünschen der AfD-Wählern nachkommen, warnt Löster, sei es durch die Abschottung gegenüber Flüchtlingen, die stärkere Ausgrenzung des Islam oder die Propagierung einer „deutschen Leitkultur“. Dieses Vorgehen – Löster nennt es „Variante Seehofer“ — stuft er als „Kapitulation“ ein.

Seine Empfehlungen: „Laut werden“ — sei es auf Demonstrationen, Veranstaltungen, an Informationsständen, in den sozialen Netzwerken oder den Medien — und das gilt nicht nur für die SPD, sondern für alle demokratischen Kräfte. Man könne gegen die Rechten nicht jedes Mal Hunderte von Demonstranten mobilisieren wie heuer in Zirndorf. Aber schon eine Gruppe von 20 bis 25 Leute helfe und bewirke soziale Kontrolle, die Sympathisanten der Extremen oft die Lust nehme mitzulaufen – so Trösters Erfahrung aus Nürnberg.

Keine Politiker-Phrasen

Den Parolen der AfD müssten speziell die Kandidatinnen und Kandidaten in den anstehenden Wahlkämpfen mit Argumenten entgegentreten. Hilfestellung mit konkretem Material will dazu die jüngst gegründete Arbeitsgruppe „Aufstehen gegen Rassismus“ der bayerischen SPD liefern. Geschehen soll das mit stichhaltigen Fakten, nicht in Politiker-Phrasen, sondern — der Begriff fiel gleich mehrmals — in „leichter Sprache“.

In der anschließenden Diskussion wurde mit Selbstkritik nicht gespart. Vom „Versagen der demokratischen Parteien“ sprach ein Teilnehmer. Ein Genosse zielte auf „die eigene Glaubwürdigkeit ab“, die gelitten habe und empfahl, „das linke Profil zu schärfen“. Schlagworte mit Leben zu erfüllen und die Themen so an die Menschen heranzubringen, das hielt ein anderer SPDler für wichtig. „Wir müssen die Leute mitnehmen“, lautete eine weitere Forderung — auch mit mehr Präsenz im Internet.

Dort sei man präsent, widersprach Kreisvorsitzender Harry Scheuenstuhl. Doch das Terrain ist schwierig. Er betreue vier Facebook-Seiten, berichtete der Landtagsabgeordnete. Schreibe er etwas über seinen letzten Urlaub, „schauen sich das viele Leute an. Aber wenn ich das von der heutigen Veranstaltung mache, sind das vielleicht zehn Prozent“. Nichtsdestotrotz müsse man um die Demokratie kämpfen. „Dass dies in Deutschland einmal so weit kommt“, räumte Scheuenstuhl ein, „das hätte ich mir nie träumen lassen.“

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