Mit festem Glauben im Herzen zum Galgen

18.2.2017, 13:00 Uhr
Mit festem Glauben im Herzen zum Galgen

© Foto: Budig

Die populärsten Zeilen Bonhoeffers kennt jeder, auch wenn er kein Besucher evangelischer Gottesdienste ist. Es ist der Schlussvers jenes Gedichtes, das er im Dezember 1944 in der Gestapo-Haft verfasst hat, sein letzter erhaltener Text vor der Hinrichtung am 9. April 1945: "Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

Die einfachen Worte dieses Intellektuellen — mit 21 Jahren promovierte er summa cum laude zum Doktor der Theologie — führen ins Zentrum seines Fühlens und Denkens. Seine Haltung als unerschütterlicher Gegner von Krieg und Gewalt, Fremden- und Judenhass zeugt von einer freundlichen und unbeugsamen Geradlinigkeit, die einen heute noch schwindlig werden lässt, vor so viel hart errungenem Anstand: Dietrich Bonhoeffer, ein Gerechter unter all den Tätern, Mitläufern, Wegsehern — ein Vorbild.

Um das herauszuarbeiten, war Ferdinand Schlingensiepen, ein sich gerade haltender, evangelischer Pastor von 88 Jahren, mit eindrucksvollem, weißem Kapitänsbart, ins Bonhoeffer-Gymnasium gekommen. Etwa 70 Zuhörer lauschten ihm. Schlingensiepen, der mit seiner Bonhoeffer-Biografie 2005 das Standardwerk über den Mitbegründer der "Bekennenden Kirche" im Dritten Reich verfasst hat, nannte seinen Vortrag "Die Reise zur Wirklichkeit". Dieser einfach klingende Satz führt in die Mitte des äußerst komplexen theologischen Denkens von Bonhoeffer. So einfach und anrührend dessen Verse, Predigten, Ermunterungen sind, so anspruchsvoll sind die theologischen Reflexionen.

Schlingensiepen nahm sich für seinen Vortrag den Brief Bonhoeffers an seinen Freund Eberhard Bethge vor, den dieser am 21. Juli 1944 — einen Tag nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat auf Hitler — geschrieben hatte. Dieses Dokument und zahlreiche Briefe vermitteln, wie rigoros Bonhoeffer im Gefängnis den Weg zur inneren Freiheit verfolgte und wie stark er aus dem Glauben lebte. Für ihn gehörten Glaube und Gehorsam zusammen, innere Zucht — heute würde man sagen Disziplin — führte für Bonhoeffer zur Freiheit.

Wie leicht hätte doch Bonhoeffer Hitlers Schergen entkommen können. 1939, wenige Wochen nach der Reichspogromnacht im November 38, war er als Seelsorger in die USA gereist — auch um seiner Einberufung zum Wehrdienst zu entgehen. Doch noch im Sommer des gleichen Jahres kehrte er freiwillig und bereits als heimliches Mitglied des Widerstandes gegen Hitler zurück. Im September befahl Hitler den Angriff auf Polen.

Bonhoeffer, der schon 1933 bei der Mitgründung der "Bekennenden Kirche" die Gestapo auf den Fersen hatte, wusste um die Gefahr für seine Person. Seinen inneren Anspruch, so erläuterte Schlingensiepen, hatte er im Alten Testament bei Jesaja gefunden: "Wer glaubt, der flieht nicht."

Am 5. April 1943 wurde Bonhoeffer verhaftet und ins Militärgefängnis Berlin-Tegel gesperrt. Ganz im Sinne Luthers interpretierte er seine Gefangenschaft: "Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen."

Wegen der vorrückenden US-Armee wird er am 3. April 1944 nach Schönberg im Bayerischen Wald gebracht. Am 5. April gibt Hitler persönlich den Befehl zur Ermordung Bonhoeffers. Zusammen mit Wilhelm Canaris, Hans Oster, Ludwig Gehre und Karl Sack, alle Beteiligte des militärischen Widerstands, wird er am Morgen des 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg getötet. Die Häftlinge mussten sich nackt ausziehen und zum Galgen gehen, der so konstruiert war, dass der Tod langsam und qualvoll erfolgte. Am 23. April 1945 wurde das KZ Flossenbürg von der US-Armee befreit.

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