Mobilitätstaler für bedürftige Fahrgäste

21.7.2011, 16:00 Uhr
Mobilitätstaler für bedürftige Fahrgäste

© Hans-Joachim Winckler

Die Stadt, die Bürgerstiftung und die städtische Tochtergesellschaft infra verfolgen — und das gibt es nach den Worten von Sozialreferentin Elisabeth Reichert nirgendwo sonst im Land — als „Bündnis für Mobilität“ ein gemeinsames sozialpolitisches Ziel. Sie wollen Langzeitarbeitslose und Wohngeldempfänger sowie Menschen mit extrem kleinem Einkommen („Aufstocker“) oder einer Mini-Rente finanziell unterstützen, damit diese sich Fahrten mit dem Bus oder der U-Bahn leisten können. Laut Reichert geht es um einen Kreis von insgesamt rund 10500 Personen.

Gegen Vorlage eines Fürth-Passes, der Bedürftigen etwa im Kulturbereich Nachlässe bei Eintrittspreisen gewährt, können die Betroffenen den neuen Mobilitätszuschuss bei ihren Anlaufstellen im Sozialamt oder bei der Bürgerberatung beantragen. Sie erhalten dann für die Dauer eines halben Jahres — so lange gilt der Fürth-Pass — sechs Taler pro Person. Einzulösen sind die beim infra-Kundencenter am Fürther Hauptbahnhof. Reichert zufolge ist es möglich, Taler zu sammeln. Wer im Sommer mit dem Fahrrad fahre, könne die gesparten Taler im Winter verwenden. Und infra-Chef Hans Partheimüller findet besonders charmant, dass der Zuschuss für jede Art von Ticket genutzt werden kann. 

20 Prozent Inanspruchnahme

Mit Verweis auf Erfahrungswerte anderer Städte mit ähnlichen Modellen geht Reichert davon aus, dass 20 Prozent der Berechtigten das Angebot in Anspruch nehmen werden. Rechnerisch ergibt sich somit ein Bedarf von fünf Euro für 2100 Personen, also pro Jahr 126000 Euro. Knapp die Hälfte, 60000 Euro enthält zurzeit der Spendentopf, den die Bürgerstiftung verwalten soll. Von der infra fürth verkehr gmbH stammen 40000 Euro, von der städtischen Wohnbaugesellschaft wbg 10000 Euro. Der ohnehin defizitäre Verkehrsbetrieb, so dessen Leiter Klaus Dieregsweiler, mache dadurch zwar noch mehr Verluste. Die aber decke die infra-Versorgungssparte mit ihren Gewinnen ab.

Um die Mobilitätstaler dauerhaft finanzieren zu können, hofft Stiftungsvorsitzender Thomas Märtz auf die Solidarität weiterer Unternehmer und Privatpersonen. Letztere können Mobilitätspatenschaften übernehmen und mit 60 Euro dafür sorgen, dass ein Mensch, der kaum Geld hat, ein Jahr lang den Öffentlichen Personennahverkehr nutzen kann.

Fünf-Euro-Lösung statt Sozialticket

Die Fürther Grünen haben wie die Fürther Linken längst klar gemacht, dass sie in spendenfinanzierten Ticketzuschüssen keine Alternative zu einem verbundweit gültigen, stark vergünstigten Sozialticket sehen. Sie kritisierten die Fünf-Euro-Lösung als „Almosen“, die „Verfehlungen“ wie die sukzessive Abschaffung des günstigen Kurzstreckentarifs in Fürth und die anstehenden drastischen Tariferhöhungen der VAG in Nürnberg „schönfärben“ sollen.

Die Taler-Variante sei „völlig unzureichend“, kritisierte jetzt Stephan Stadlbauer vom Fürther Sozialforum. „Die fängt nicht ansatzweise die Abschaffung des Kurzstreckentarifs ab.“ Für den muss die infra bisher happige Ausgleichszahlungen an den Verkehrsverbund VGN leisten: eine halbe Million Euro pro Jahr. Dafür koste die MobiCard für Fürth jetzt nur 39,90 Euro, so Stadlbauer, in der künftigen Preisstufe 2 aber 63,90 Euro.

Demos in Fürth und Nürnberg

Ihrem Standpunkt Nachdruck verleihen wollen das Sozialforum und andere Gruppierungen mit mehreren Protestaktionen. So rufen sie zur Teilnahme an einer Demo auf, die sich am Freitag, 22. Juli, um 17 Uhr in Nürnberg gegen die dortigen Fahrpreiserhöhungen richtet. In Fürth planen sie außerdem zwei Aktionen. Zunächst gibt es am Mittwoch, 27. Juli, um 14 Uhr eine Kundgebung am Kohlenmarkt. Und die ursprünglich für Samstag, 23. Juli, ab 16 Uhr am Eingang zum Stadtpark vorgesehene Demo am Rande des Sommernachtsballs findet nach dessen Verlegung um eine Woche nun am Samstag, 30. Juli, ebenfalls um 16 Uhr statt.

Bei den Aktionen machen sich die Veranstalter stets auch für ein "echtes" Sozialticket stark. Ob infra-Chef Partheimüller und Referentin Reichert dafür auch auf die Straße gehen, sei einmal dahingestellt. Fest steht: Beide haben zum wiederholten Mal ausdrücklich versichert, dass sie die Einführung eines Sozialtickets weiter forcieren werden. Denn der Mobilitätsbonus, betont Reichert, sei zwar eine "tolle Zwischenlösung". Auf lange Sicht aber brauche es eine politische Lösung.

 

Keine Kommentare