"Mutter Courage" stoppt im Fürther Stadttheater

12.1.2018, 18:00 Uhr

© Foto: Edgar Pfrogner

"Der Krieg nährt seine Leute besser": Eine Marketenderin profitiert vom Geschäft mit dem Töten, hart und habgierig macht sich diese Anna Fierling (Michaela Domes) auch dann noch ans Werk, als ihre eigenen Kinder dem Tod ins Auge blicken. Gott ja, der olle Brecht. Der schon wieder.

Doch Gemach. Seine "Mutter Courage", 1938 im dänischen Exil als kaum verklausulierte Warnung an die Skandinavier vor einem Eisenerz-Deal mit Nazi-Deutschland geschrieben, hat auch 2018 noch verstörendes Potenzial. "Mich hat es umgehauen", sagt Regisseur Werner Bauer. "Was Brecht da schreibt, ist eine lupenreine Kapitalismuskritik, die ich für aktueller halte denn je. Die da oben entscheiden, die kleinen Leute baden es aus und, schlimmer noch, nehmen es hin — ist es heutzutage nicht auch so?"

Bauer, der zu seiner Zeit als Musicaldarsteller und Schauspieler den Mackie Messer gab, als Regisseur aber nun erstmals Brecht inszeniert, weiß genau, welcher Zielgruppe die Parabel von der entmenschlichten Gesellschaft gut zu Gesicht stünde. "Eigentlich müsste das jeder Jugendliche sehen, jene Generation, die im zügellosen Kapitalismus aufgewachsen ist." Ihn, ein Kinder der späten Sechziger, wundere, "das es nicht mehr Auflehnung gibt. Gegen Mietwucher, gegen das Aussterben des Mittelstandes. In Italien sitzen Ärzte an Wochenenden an Supermarktkassen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen."

Die hatte Brecht zwar nicht auf der Rechnung, doch mit den Mechanismen der skrupellosen Geschäftemacher kannte er sich aus und schuf mit Fierling eine Leit- und Hauptfigur, die mit Zuneigung durch den Abend zu begleiten mehr als schwer fällt. "Ich möchte eine Frau zeigen, die keine Sympathieträgerin ist, aber die wir verstehen müssen." An die Front des Dreißigjährigen Krieges schicken die Fürther Michaela Domes, der Musik Paul Dessaus nimmt sich live ein Trio um Saxofonist und Klarinettist Norbert Nagel an.

War jener Dreißigjährige Krieg für Brecht nichts anderes als ein Sinnbild für den heraufdämmernden Zweiten Weltkrieg, so verweigert sich der Regisseur bewusst einer konkreten Verortung. Natürlich denkt man unweigerlich an Syrien, auch an den Irak, wo der Wiederaufbau ein Milliardengeschäft ist. Mit der Kombination von Stilen aus grundverschiedenen Zeiten bleiben Bühne (Marlen von Heydenaber) und Kostüme (Kaja Fröhlich-Buntsel) jedoch zeitlos. Krieg ist immer und überall. Eine schrecklich gegenwärtige Geschichte.

"Mutter Courage und ihre Kinder": Premiere am Samstag (19.30 Uhr), Stadttheater. Weitere Termine: Sonntag und 17.-21./23. Januar (je 19.30 Uhr). Karten im FN-Ticket-Point (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77) und an der Theaterkasse. Theatergottesdienst am Sonntag in Auferstehung (9.30 Uhr).

Verwandte Themen


Keine Kommentare