Nach Todesfahrt: Tränen im Gerichtssaal

24.6.2016, 21:00 Uhr
Nach Todesfahrt: Tränen im Gerichtssaal

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Der Angeklagte zeigte sich von Beginn an einsichtig. „Durch mein Verhalten ist jemand gestorben. Das ist nicht wiedergutzumachen. Ich weiß, dass man mich entsprechend bestrafen muss und erwarte keine Milde“, sagte er zum Auftakt der Verhandlung.

Am 18. Oktober 2015 fuhr L. mit seinem Auto abends auf der B 14 von Gutzberg kommend Richtung Ansbach. Kurz vor dem Ortseingang von Großweismannsdorf scherte sein Wagen plötzlich aus, geriet auf die Gegenfahrbahn und prallte frontal in einen Pkw. Dessen Fahrerin, 77 Jahre alt, verstarb einige Wochen später im Krankenhaus.

An den Unfall kann sich L. bis heute nicht erinnern. Er selbst wurde schwer verletzt, lange ins künstliche Koma versetzt. Die Nacht vor dem Unfall hatte er auf Crystal Meth durchgemacht. Am Nachmittag fuhr er nach Nürnberg zu seinem Dealer und kaufte Kokain, das er sich noch vor Ort spritzte. Bruchstückhaft kann er sich daran erinnern. „Ich habe meinen Dealer gefragt, warum sich das Kokain so komisch auflöst.“ Der toxikologische Befund der Gerichtsmedizin stellte später Spuren von Schlafmitteln in seinem Blut fest. Seine Vermutung: Das mit Schlafmitteln gestreckte Kokain verursachte einen Blackout.

L.s Konsum begann mit Marihuana und Alkohol, mit 28 stieg er auf harte Drogen um – Kokain, Crystal Meth und Heroin. Zwei Rehas halfen nicht, er wurde rückfällig. Trotzdem arbeitete L. Vollzeit, zahlte Unterhalt für seinen Sohn. Sein Bundeszentralregister hat keinen Eintrag.

Von den Drogen ist er immer noch nicht weg. Auf Nachfrage der Staatsanwältin gab er zu, vor wenigen Tagen Crystal Meth konsumiert zu haben. „Nicht einmal der ultimative Preis, der Tod eines anderen Menschen, hat mich vom Konsum abgehalten“, sagte er und schob hinterher: Bei dem Unfall sei der falsche Mensch gestorben.

Wie eine Tochter der Verstorbenen mitteilte, möchten sie und ihre Familie nicht als Nebenkläger auftreten. „Wir fühlen uns psychisch dazu nicht in der Lage. Unsere Mama musste sechs Wochen lang furchtbare Qualen erleiden“, heißt es in einem Fax. Die Frau lag nach dem Unfall mit Rippenbrüchen, Brustkorb- und Kopfverletzungen, einem Oberschenkelhalsbruch und einem Dünndarmeinriss im Krankenhaus. Ihr Bauch musste aufgeschnitten und offengehalten werden, später versagten die Nieren. Schließlich verstarb sie im Beisein ihrer Angehörigen. „Ich bin bis heute nicht voll arbeitsfähig. Mein Sohn braucht kinderpsychologische Betreuung. L. hat sich nicht bei uns gemeldet“, schreibt die Tochter.

Während Richter Wolfgang Ring dies vorlas, verlor der Angeklagte die Fassung, Tränen flossen. Er habe nie die richtigen Worte gefunden, um der Familie zu schreiben, sagte er.

Die Staatsanwältin forderte zwei Jahre und vier Monate Haft. Angesichts seiner hohen Intoxikation sei L.s Entscheidung, Auto zu fahren, grob fahrlässig und an der Grenze zum Vorsatz gewesen. Verteidiger Gerhard Hefele plädierte für zwei Jahre auf Bewährung. Man müsse seinem Mandanten anrechnen, dass er seinen Führerschein nach dem Unfall freiwillig abgegeben hat, noch bevor dessen amtlicher Entzug im Raum stand. Hefele äußerte zudem Zweifel, dass L. im Gefängnis über seine Drogenprobleme hinwegkomme.

Richter Ring hielt L. zwar dessen leeres Strafregister, seinen Führerscheinverzicht und seine eigenen schweren Verletzungen zugute, ebenso sein Geständnis und die glaubhaft gezeigte Reue. Aber, so der Richter: L. sei wohl nicht das erste Mal unter Drogeneinfluss Auto gefahren. Mit einem Unfall habe er irgendwann rechnen müssen. Eine Bewährungsstrafe wäre in diesem Fall der Allgemeinheit nicht mehr zu vermitteln, sagte Ring, und entschied auf zwei Jahren Haft ohne Bewährung.

Gegen das Urteil könnte L. Revision einlegen. „Das werde ich nicht tun“, sagte er aber am Ende der Verhandlung leise zu sich selbst.

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