Neues Leben für das „Silberfischla“?

25.5.2011, 22:00 Uhr
Neues Leben für das „Silberfischla“?

© Linke

Der erste Eindruck erinnert ein wenig an ein Hochzeitsfest, bei dem sich ein zerlumpter Verwandter unter die herausgeputzte Gesellschaft mischt. Das Haus zur Linken prunkt mit seinem schwarzglänzendem Schieferkleid, zur Rechten tragen zwei Schöne frisches Terrakottarot und gepflegten Sandstein. Das Gebäude mit der Aufschrift „Bier- und Branntweinschänke zum Silberfischla“ dagegen sieht so schmutzig gelb und trostlos aus, dass sich kaum Gäste einfinden würden, wäre die Kneipe nicht seit Jahren geschlossen.

Dabei hat das Haus mit der Nummer fünf eine sagenhafte Geschichte. Um das Jahr 1660 soll es ursprünglich erbaut worden sein, heißt es in Unterlagen des Stadtarchivs, und über 200 Jahre soll es eine Taverne „Zum goldnen Fisch“ beherbergt haben. Für Stadtheimatpfleger Alexander Mayer verständlich, auch wenn durch die schmale Gasse als Nebenarm der einstigen Haupthandelsstraße zwischen Frankfurt und Nürnberg, der heutigen Königstraße, nicht ganz so viele Kutschen und Pferdefuhrwerke gekommen sein dürften. Markus Weis, im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Referatsleiter für Schwaben und Mittelfranken, jedenfalls schwärmt: „Das ist eines der wenigen Häuser in Fürth, in denen noch Bausubstanz aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg steckt.“ Für den Betrachter zeige es sich heutzutage aber als „typisches Bürgerhaus aus dem mittleren 18. Jahrhundert“. 

Mammutaufgabe für die Eigentümer

Esther Paulmann (39) liebt dieses Haus. Mit ihrem Lebensgefährten Paul Held (59) — beide sind Psychologen, arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Uni Erlangen und wohnen in Fürth — hat sie das „Silberfischla“ entdeckt und ihr Herz verloren. Für 100000 Euro haben beide das Haus vor gut zwei Jahren gekauft. Ihre Idee: Im Hinterhaus möchten sie selbst eines Tages leben, Vorder- und Mittelhaus würden sie vermieten.

Munter plaudernd führt Paulmann ihre Besucher durch die verwirrenden Eingeweide des langgezogenen Ensembles, das zum Hof hin Fachwerk zeigt und auf drei Etagen 520 Quadratmeter Wohnfläche umfasst — plus zwei Stockwerke Gewölbekeller. Es geht über Treppen und Stiegen hinauf und hinab, durch Kammern und Kämmerchen, vorbei an morschen Balken, geborstenen Geländern, Wänden, deren Putz in Fetzen hängt, und Fenstern, die verblüffende Blicke ins Grüne erlauben — und bis zur Nürnberger Burg. 60 Tonnen Schrott haben Paulmann und Held schon hinausgeschafft, neuzeitliche Rigipswände ebenso wie alte Möbel. Alle erdenklichen Fachleute waren da: Pilz- und Schadstoffexperten, Bauhistoriker, Statiker, Brandschutzexperten ...

Angefangen habe alles mit der Suche nach einem Einfamilienhaus, zentrale Lage, Baujahr vor 1950, sagt Held augenzwinkernd. Heute wissen er und seine Freundin, dass die Sanierung viel teurer wird als gedacht. Waren fürs Instandsetzen unter denkmalpflegerischen Vorgaben zunächst 1500 Euro pro Quadratmeter veranschlagt, sind es nun 2500. Schiefe Böden wären aufwendig anzuheben, allein die Statik schlägt mit 300000 Euro zu Buche. Mit 1,3 Millionen Euro kalkulieren Paulmann und Held. Im Prinzip dürfen sie mit zwei Geldquellen rechnen: dem Entschädigungsfonds des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst für hochrangige Denkmäler und dem von Bund und Land geförderten Programm Soziale Stadt. In München ist Geld für das „Silberfischla“ reserviert. Ein sechsstelliger Betrag sei es wohl, sagt Weis, doch wie hoch er ausfalle, hänge auch von den Vermögensverhältnissen der Bauherren ab, und die seien noch nicht geprüft.

Wie viel Geld es aus dem zweiten Topf gibt? Stefan Kunz vom Stadtplanungsamt wagt keine Prognose. Er weiß nur: Die Mittel fließen jedes Jahr spärlicher. Paulmann und Held verbringen schlaflose Nächte. Sollen wir Vorder- und Mittelhaus lieber gleich verkaufen, fragen sie sich, oder trauen wir uns an den großen Traum?

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