Nur eine ruhige Hand sorgt für Glanz

27.6.2017, 06:00 Uhr

Das barocke Totenschild liegt in der Werkstatt des Germanischen Nationalmuseums (GNM) beinahe wie auf einem Operationstisch vor ihr. Mit vorsichtigen Bewegungen und einem filigranen Pinsel entfernt Pauline Schöner Schicht um Schicht den jahrhundertealten Staub und Schmutz vom Objekt. Schließlich muss die hölzerne Grundlage sauber sein, bevor das hauchdünne Blattgold aufgetragen werden kann.

Am GNM sammelt die 23-Jährige derzeit weitere praktische Erfahrungen, ihren Abschluss als Vergolderin hatte sie bereits im Vorjahr mit Bravour abgeschlossen. Für ihr Gesellenstück, einen Rokoko-Spiegelrahmen, erhielt die Cadolzburgerin beim bundesweiten Wettbewerb „Die gute Form im Handwerk“ den ersten Platz im Berufsfeld Vergolder.


Dass sie nun als Praktikantin im Museum arbeitet, empfindet sie nicht als Rückschritt. „Ich lerne hier viele neue Restaurationsmethoden kennen, aber auch ganz anderes wie etwa die Buchbindung“, erzählt sie.


Etwas vorbelastet


Anders als die meisten ihrer Mitschüler entschied sich Pauline Schöner nach dem Fachabitur gegen ein Studium. „Ich wollte etwas Gestalterisches machen und nicht an die Uni gehen“, sagt die 23-Jährige. Es mag vielleicht auch am Steinmetzbetrieb liegen, den ihre Eltern in Cadolzburg führen, dass ihr die Entscheidung für einen handwerklichen Beruf leichter fiel als manch anderem.


Praktika schon während der Schulzeit wiesen ihr früh den Weg. „Ich hätte auch Konservierung und Restaurierung an der Fachhochschule Erfurt studieren können“, erzählt sie, „wollte mir aber zuerst mehr praktisches Wissen aneignen.“ Im oberbayerischen Bad Endorf fand sie bei einem Restaurationsbetrieb einen der raren Ausbildungsplätze. „Eine Ausbildung zum Kirchenmaler wäre dort ebenfalls möglich gewesen, ich fand aber den Vergolderberuf interessanter, weil es eine viel feinere Arbeit ist“, erklärt sie.
Jede Menge Geduld und eine ruhige Hand müsse man dafür mitbringen, betont die gebürtige Fürtherin. Das Blattgold ist gerade einmal ein Zehntausendstel Millimeter dünn – „ein Luftstoß reicht und alles fliegt weg“. Besonders beeindruckt sie an ihrem Beruf außerdem, dass dort Materialien zum Einsatz kommen, die schon seit Jahrhunderten verwendet werden: tierischer Leim, Harze, Pigmente. Farbe stellt sie zum Teil aus Ei, Pigmenten und Spülmittel selbst her. „Es ist ein so schöner Beruf“, schwärmt Pauline Schöner, denn man bekomme ein Gefühl für das Werkstück, an dem man zum Teil über Monate arbeite, und empfinde eine große Genugtuung, wenn die Kunden am Ende zufrieden sind.


Umso trauriger findet sie es, dass nur ganz wenige junge Menschen noch dieses alte Kunsthandwerk erlernen möchten. An der einzigen Berufsschule für Vergolder in München waren es in ihrem Jahrgang nur vier Lehrlinge. Dabei zeige ihr Beispiel doch, „dass Handwerk nicht ausnahmslos bedeutet, mit Schaufel und Bagger auf dreckigen Baustellen zu arbeiten“. Derzeit tendiert sie dazu, im Herbst wieder in die Landeshauptstadt zurückzukehren, um den einjährigen Meisterlehrgang für Vergolder zu besuchen. Ein späteres Studium schließt die junge Frau aber nicht aus.


Die eigene Werkstatt


„Mein Traum ist es, irgendwann eine kleine Werkstatt zu eröffnen“, erzählt Pauline Schöner. Allerdings bezweifelt sie, dass sie im eher evangelisch geprägten Großraum Nürnberg dafür genügend Kunden finden würde. „In Oberbayern gibt es viel mehr sakrales Material zum Restaurieren“ – und damit natürlich auch mehr goldenen Boden für ihr seltenes Handwerk.

 

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