Oberasbach geht auf die Spur des steifen Hutes

8.7.2016, 06:00 Uhr
Oberasbach geht auf die Spur des steifen Hutes

© Foto: Petra Fiedler

Elke Wilhelm ist Konrektorin an der Grundschule und als die Gymnasiastinnen mit der Idee ihres Projekttags vorstellig wurden, war sie sofort Feuer und Flamme. „Kästner hat mit die besten Kinder- und Jugendbücher geschrieben“, sagt Wilhelm, es sei selbstverständlich gewesen, die drei jungen Frauen mit ihrem Projekt in den Unterricht einzugliedern. Und was man an der Grundschule besonders im Auge hat, betont sie gleich anschließend: „Wir fördern gerne alles, was mit Lesen und Zuhören zu tun hat“.

Dass der 1974 verstorbene Kästner Literatur schuf, die Kinder heute noch zu konzentrierten Zuhörern macht, erkennt, wer der 17-jährigen Johanna Bischof aus Wachendorf zuhört. Sie führt die Mädchen und Buben mit Erich Kästner nach Berlin, wo Protagonist Emil sich an die Fersen eines Diebes heftet.

Steckbrief formulieren

Jetzt muss genau aufgepasst werden, denn später sollen die Kinder anhand eines Stadtplans die Straßen finden, die im Text genannt werden. Das ist aber noch nicht alles. Am Ende der Textpassage heißt es auch, einen Steckbrief zu formulieren.

Mitdenken ist da gefragt. Erich Kästner nennt nicht das Alter des Diebes. Sondern er beschreibt den Mann mit vielen Falten um den Mund. Johanna sensibilisiert für solche literarischen Feinheiten und die Kinder sind sichtlich erstaunt darüber, was so indirekte Beschreibungen doch alles an Konkretem enthalten.

Johanna Bischof und ihre Mitschülerinnen Kristin Etzel und Lena Schwarz aus Zirndorf haben viel Energie und Arbeit in das Vorleseprojekt investiert. „Ein ganzes Wochenende und etliche Nachmittage sind da schon nötig gewesen“, berichten sie von den Vorbereitungen.

Schließlich musste nicht nur das Buch ausgewählt werden. „Emil und die Detektive interessiert Mädchen und Buben“, glaubt Lena Schwarz. Für die Schülerinnen hieß es auch, ein pädagogisch didaktisches Konzept zu erstellen. „Und das ist gar nicht so leicht, wenn man erst Schüler ist und keine Berufserfahrung hat“, meint Elke Wilhelm.

Was alles aus einem Buch herausgearbeitet werden kann, überraschte selbst Rainer Hübsch, der in Oberasbach vierte Klassen unterrichtet. „Ich bin wirklich angetan, was die Gymnasiastinnen sich einfallen ließen“, gesteht er. Das Hilfsmaterial, wie Stadtplan, Illustrationen und Steckbriefe, sei toll vorbereitet worden.

Und die Schülerinnen hätten auch die Texte zwischen den eigentlichen Lesekapiteln altersgerecht zusammengefasst und letztlich all die Dinge herausgearbeitet, die zur Zeit Kästners modern waren und heute nicht mehr im Straßenbild existieren. „Welches Kind hat heute noch ein Bild im Kopf, wenn von einem steifen Hut oder einer offenen Straßenbahn die Rede ist“, fiel dem Pädagogen auf.

Insgesamt kommen 60 Kinder in den Genuss eines Vormittags, bei dem das Vorlesen im Mittelpunkt steht. Ihnen ist anzumerken, dass sie von dem Projekt begeistert sind. Die Vorleserinnen sind ja nur rund sieben Jahre älter.

„Es macht schon einen Unterschied, von wem man die Welt erklärt bekommt“, sagt Elke Wilhelm zum Altersunterschied und betont, dass es für Kinder ein positives Erlebnis sei, wenn mal jemand von außen in die Klassen kommt. „Wir empfinden das auch als Bereicherung.“

Noch unschlüssig

Und was sagen die Bonhoeffer-Schülerinnen zu ihrem Job? Ob sie der Projekttag ermutigt, selbst Lehrer zu werden, können sie an diesem Tag noch nicht beantworten. Lena kann es sich ein wenig vorstellen, während Kristina, die als Vorleserin rekrutiert wurde, eher zu einem naturwissenschaftlichen Studium tendiert.

Konrektorin Wilhelm bewertet den Projekttag als Möglichkeit der eigenen Erprobung: „Wie fühle ich mich beim konzeptionellen Arbeiten, im Team und vor einer Gruppe Kinder“. Viele junge Menschen seien nach Schulende orientierungslos. Diesen Teil der Ausbildung, der den jungen Menschen Orientierung und Erprobung bietet, müsse man unbedingt unterstützen.

Johanna, Kristin und Lena betonen, dass es auch ihnen große Freude macht, mit den Kindern zu arbeiten. „Die gehen mit so viel Begeisterung an die Aufgaben heran“, haben sie beobachtet und beschreiben ihre Erfahrungen als echten Zugewinn. Jetzt sind sie gespannt, wie ihr Projekt bewertet wird.

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