Party in Walhall

27.8.2012, 09:18 Uhr
Party in Walhall

© Gerd Axmann

Wer also Ralf-Peter Begemanns Walküren im Kunstraum Rosenstraße besucht, muss erst mal Abschied vom überlieferten Bild nehmen. Seine Walküren — denen er allesamt Wagners Namen verleiht — sind spindeldürre, geradezu skelettierte Wesen. Rippen, Schultern und Becken folgen nur rudimentär der menschlichen Anatomie, dafür ragen Stacheln an allen möglichen Partien hervor, biegen sich Arme zu Schildern oder zu Schießbögen, erwachsen Speere, Schwerter und Äxte aus den Handgelenken, sind die Waffen integraler Bestandteil der Anatomie.

Überdies ruhen sämtliche Walküren auf drei, statt auf zwei Beinen, das dritte Bein entspricht der verlängerten Wirbelsäule. Mag das auch statische Gründe haben, dem Besucher schießen sofort Assoziationen zu Herbert George Wells’ dreibeinigen Monstermaschinen aus dem „Krieg der Welten“ durch den Kopf. Entfernt wirken die neun Walküren wie Cousinen des „Terminators“, wenn zum Filmfinale der Feuersturm das Fleisch vom biomechanoiden Skelett gefressen hat. Doch wenn die Form höchst martialisch daherkommt, die Farbgebung schlägt eine verspielt-friedliche Richtung ein. Sämtliche Walküren sind in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb, samt Ocker- und Violett-Tönen betupft. Das wirkt einerseits wie ein Tarnkleid, andererseits muss dies eine kunterbunt schillernde Landschaft sein, durch die die Totengeister stapfen. Ob es in Walhall so quietschbunt wie einst im Ashram von Poona zugeht?

Warum überhaupt Walküren? Ralf-Peter Begemann, der sich auch als Musiker betätigt, konnte früher mit Wagner nichts anfangen. „Aber dann fiel mir ein Buch über seine Technik der Leitmotive in die Hände, und dann ließ ich es noch einmal auf einen Versuch ankommen. Und siehe da: wenn du erkennst, welches Motiv da wieder auftaucht, und wie Wagner es schafft, diese Melodie mit einem anderen Motiv zu kontrastieren oder zu kombinieren, dann macht das ungeheuer Spaß, dies zu verfolgen. Jetzt gefällt mir Wagner viel besser als Popmusik mit dem Schema Melodie — Refrain.“

Und die Damen selbst? „Mit männlichen Figuren kann ich nichts anfangen, mich fasziniert die Weiblichkeit, ich mag Kraft und Stärke bei Frauen.“ Die mögen Bildhauer des 19. Jahrhunderts auch, die gern zu drallen Formen griffen. „Das Kantig-Klobige mag ich zwar auch, ebenso die runden Figuren einer Niki de Saint-Phalle, aber ich bevorzuge das Gegenteil davon, das Filigrane.“

Seine Gestalten formt Begemann aus Holz, Metall, Plastik und Kabeln. Diese Bestandteile umwickelt er mit mehreren Schichten aus Pappmaschee, die er dann bemalt und lackiert. Eigentlich passen seine Figuren gut unter freiem Himmel, doch dürften sie der Witterung weniger trotzen als Wotans ungebärdige Töchter. Die Lust am planvollen Chaos tobt Begemann auch auf seinen Gemälden aus, die die Plastiken flankieren. Da tummeln sich breite ausfasernde Pinselstriche, rudimentäre Formen und winzige Farbtupfen auf engstem Raum.

Und der Besucher darf raten: Ist dies der Satellitenblick auf eine Großstadt des 22. Jahrhunderts? Oder das verrückte Design eines Badebeutels aus den fünfziger Jahren? Oder der sangriabeflügelte Blick auf Treiberameisen, die die Reste eines Picknicks nach Hause schleppen? In Walhall herrscht jedenfalls Partystimmung.

Bis 23. September im Kunstraum Rosenstraße, Rosenstraße 12, Fürth. Do. bis Sa., 14 bis 18 Uhr.

 

Keine Kommentare