Provokante Fragen mitten im Fürther Zentrum

27.6.2016, 21:00 Uhr
Provokante Fragen mitten im Fürther Zentrum

© Foto: Müller

Und was bekommen wir da nicht alles auf den Dominos zu lesen. Frage: „Hat der Gott, der uns in die Welt gesetzt hat, nicht alle Tassen im Schrank gehabt?“ Antwort: „Doch, aber das Poltergeschirr hat überhand genommen!“ Oder: „Was ist genug?“ Antwort: „Dem Menschen ist nichts genug.“ Oder: „Woher bekommen Sie Ihre Würde angesichts der Unwichtigkeit des Menschen im Weltall?“ Antwort: „Die Würde des Ich entsteht aus der Beziehung zum Du.“

So einfach ist das. Einfach? Nein, die katholische Gemeinde in Fürth macht es sich und allen Sinnsuchern ganz und gar nicht einfach. Sie will sich nicht mit simplen Antworten abspeisen lassen, deshalb bringt sie provokante Fragen unters Volk und will zum Dialog anregen. Jeder ist eingeladen, seine Antwort hinzukritzeln.

Hierzu bedient sie sich einer Installation, die die Künstlerin Karin Bergdolt bereits vor einem Jahr auf dem Jakobsplatz in Nürnberg aufgebaut hatte. „Das hat bei uns enormen Eindruck gemacht, und da haben wir beschlossen: Das wiederholen wir bei uns“, erzählt Gemeindereferent Stefan Gardill.

Und noch ein Blickfang, der dem zuständigen Bischof so gar nicht behagen dürfte: Bei den Dominosteinen steht ein kleines grünes Männchen, das sehr verdächtig Martin Luther ähnelt. Tatsächlich ist es das in kleinerem Maßstab nachgestaltete Luther-Denkmal von Wittenberg, das in jedem traditionsbewussten protestantischen Pfarrhaus als Stahlstich an der Wand hängt: der Reformator mit der aufgeschlagenen Bibel im Arm.

Verblüffte Protestanten

„Was macht ihr mit unserem Luther?“, musste sich Stefan Gardill von verblüfften Protestanten anhören. Doch: Martin Luther war ursprünglich Katholik und Augustinermönch, wollte die katholische Kirche reformieren und keine eigene Kirche etablieren. Die evangelische Kirche als Institution kam erst nach Luthers Tod zustande.

Die Bedeutung Luthers ist nicht nur für die Protestanten immens. Jahrhundertelang als Ketzer verunglimpft, ist seine theologische Fragestellung auch bei den Katholiken längst anerkannt. „Ohne Luther wäre die katholische Kirche nicht so, wie sie heute ist“, erklärt Gardill, „es hätte kein zweites vatikanisches Konzil gegeben. Und die Kirche ist nach einem Lutherwort tatsächlich eine stets zu reformierende. Aus römischer Perspektive sind ja alle deutsche Protestanten, selbst die Katholiken.“ Und zur Reformation gehört das Stellen provokanter Fragen.

Bei der Dominostein-Lektüre fällt auf, dass viele Fragen um den scheinbaren Widerspruch zwischen Glaube und Wissenschaft kreisen, als ob beide miteinander unvereinbar sei. Manchmal fallen die Antworten auch furchtbar schlicht aus. Da heißt es dann, Gott sei die Liebe — als ob damit alle Fragen beantwortet wäre.

Andere Fragen sind eher metaphysischer Natur. Etwa diese: „Wie alt werde ich, wenn ich tot bin?“ Eine nur auf den ersten Blick unverständliche Frage. Denn läuft in der Ewigkeit die Zeit weiter? Oder spielen dort Zeit und Raum keine Rolle mehr? Frühe Theologen postulierten, die leiblich wiedererstandenen Seelen würden sich im Alter von 30 oder 33 Jahren im Paradiese erfreuen, gemäß dem Alter, das Jesus erreicht haben soll. Keine Kindheit, keine Jugend, kein Alter, nur durchschnittliches Erwachsensein — Gott, wie langweilig, wie uniform! Kann man sich sein Alter drüben nicht aussuchen? „Schon der Brandner Karl, der ins Paradies schaut, wusste: Im Himmel befindet sich die Seele immer im besten Alter“, sagt Gardill.

Eine andere Frage hingegen ist leichter zu beantworten: „Wer ist zuständig für die Galaxien?“ Ist doch klar: Mister Spock! Sein Diktum – „Faszinierend!“ — ist immer noch der schönste Beweis, wie Wissenschaft und kindliches Staunen Hand in Hand gehen.

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