Putins schwuler Zarensohn im Fürther Stadttheater

28.8.2015, 15:45 Uhr
Putins schwuler Zarensohn im Fürther Stadttheater

© F.: Kai-Uwe Schulte-Bunert

Man macht schon was mit in Fürth. Zwischen düsterem Tyrannendrama und bonbonsüßer Operettenseligkeit schwankt das Pendel in der kommenden Saison. Und dann singen und trommeln und tanzen sie auch noch. Das Prinzip „Von allem etwas“ gefällt den hiesigen Theatergängern aber ausnehmend gut; mit 1900 Abonnenten pro Stück, jeweils verteilt auf vier Abende, bewegt sich die Auslastung laut Intendant Werner Müller „gut am Limit“.

Das gemischte Abo ist eines der ältesten und traditionsreichsten Angebote des Hauses, entsprechend rege ist der Zulauf — und entsprechend lang sind zuweilen die Gesichter derer, die kurz entschlossen an der Abendkasse ein Billett im freien Verkauf ergattern wollen. Da sind die guten und besseren Plätze eh längst weg.

Abonnenten haben die Wahl zwischen dem großen, acht Abende umfassenden Sortiment und zwei kleinen mit jeweils vier Stücken und gänzlich verschiedenen Programminhalten.

Reichlich Größenwahn zum Saisonstart: Ingenieur Mac Allen will mit neuester Konstruktionstechnik sowie 180 000 Arbeitern Nordamerika und Europa innerhalb von 15 Jahren durch eine 5000 Kilometer lange Röhre miteinander verbinden. „Der Tunnel“, 1913 bei S. Fischer erschienen, war einer der ersten deutschsprachigen Roman-Bestseller. Bernhard Kellermann, ein Fürther, ahnte noch nichts von BER und Elbphilharmonie, traf aber gleichwohl mit seinem fortschrittskritischen Stoff einen Nerv der Zeit. 2015 ist es ein Fürther Kulturpreisträger-Duo, das den „Tunnel“ in Musical-Form gräbt. Nach „Petticoat & Schickedance“ und „Bahn frei!“ arbeiten Ewald Arenz (Text) und Thilo Wolf (Musik) abermals zusammen, Jean Renshaw inszeniert (17./18./20./21. Oktober).

Und gleich noch eine Bühnenfassung eines Erfolgsromans: „Die Blechtrommel“ des im April dieses Jahres verstorbenen Günter Grass ging als formal und inhaltlich verwegene Abrechnung mit der NS-Diktatur um die Welt. Das 1959 erschienene Werk katapultierte Grass in die erste Reihe international renommierter Autoren, auch die Oscar-prämierte Schlöndorff-Verfilmung von 1979 ist zum Klassiker geworden. Inwiefern eine Adaption fürs Theater dem Stoff noch neue Seiten abgewinnen und ein blechtrommelnder David Bennent, der ideale Oskar schlechthin, aus den Köpfen eines Theaterpublikums gelöscht werden kann, ist die offene Frage, die die Koproduktion der Schauspielbühnen Stuttgart und des Euro-Studios vielleicht beantwortet (11./13./14./15. November).

Im Januar folgt wieder eine hauseigene Fürther Produktion. Eine „Tragödie der Erkenntnis“ nannte Albert Camus sein 1945 in Paris uraufgeführtes Drama „Caligula“. Mit Sanftmut und Gewissenhaftigkeit startet der römische Kaiser 37 n. Chr. in seine Amtszeit. Der Tod der Geliebten Drusilla jedoch führt zum Psychoknacks, aus dem guten Herrscher wird ein unbarmherziger Hardliner. Stoppen kann ihn niemand. Nur er sich selbst. Camus hinterfragt Werte und Normen menschlichen Miteinanders — in Anbetracht mancher niederträchtiger Aktionen gegen Flüchtlinge anno 2015 ein höchst aktuelles Unterfangen. Mit ihrer ersten Arbeit fürs Stadttheater stellt sich Regisseurin Petra Wüllenweber vor (19./20./21.22. Januar).

„Schreitet fort“ ist das Motto der nahenden Fürther Spielzeit, und nach dem „Tunnel“ hinterfragt auch Max Frischs „Homo faber“ die Ambivalenz des Technik-Zeitalters. In das geordnete Leben des streng rationalen Ingenieurs Walter Faber brechen Zufall und verdrängte Vergangenheit ein. Frischs Bestseller aus dem Jahr 1957 wurde von Volkmar Kamm — er hat auch „Die Blechtrommel“ auf die Bühnenbretter gestellt — in eine Fassung für fünf Schauspieler umgemodelt. Regie in der Fürther Produktion führt Ulrike Arnold, seit 2011 Schauspieldozentin am Salzburger Mozarteum (4./5./6./8. März).

Dass Max Frisch 2016 25. Todestag hat, mag einer der Gründe sein, warum ein weiteres seiner Werke im Stadttheater-Sortiment auftaucht. Das Schauspiel „Andorra“ dürfte vielen in der Schule begegnet sein; die Parabel über Antisemitismus, Vorurteile und Identität ist auch über 50 Jahre nach der Zürcher Uraufführung brisanter und notwendiger Stoff — in Fürth zu erleben in einer Inszenierung des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach (6./.7./8./9. April).

Drastischer Temperaturwechsel: Mit einem Beatles Tanzabend kommt das Salzburg Ballett vorbei und folgt damit, siehe „Rock the Ballet“ in diesem Frühsommer, einem aktuellen Trend, popkulturelle Phänomene in leichtfüßige Choreografien zu verpacken. Peter Breuer, Ballettchef des Salzburger Landestheaters, „vertanzt“ jedoch mit seiner Compagnie nicht nur die Hits der berühmten Herren aus Liverpool, sondern sucht in dieser Produktion auch nach biografischen Linien und nach dem spezifischen Lebensgefühl der sechziger Jahre — just in jeder Zeit war der Tegernseer Gruppentänzer im Ensemble der Bayerischen Staatsoper, ab 1965 erst Solist, dann Erster Solotänzer in Düsseldorf. Im März dieses Jahres nahm Breuer, der seit über 20 Jahren in Salzburg tätig ist und der in seiner aktiven Zeit einer der wenigen international gerühmten deutschen Tänzer war, den Hauptpreis des Deutschen Tanzpreises entgegen (3./4./12./13. Mai).

Und was nimmt Christy entgegen? Die Huldigungen eines irischen Kaffs am Ende der Welt. Dort betritt der junge Mann den Pub und erzählt, wie er seinen Vater erschlagen hat – in dem öden Dorf ist die Begeisterung groß. Doch dann steht der Vater quicklebendig im Türrahmen. John Millington Synges Tragikomödie „Der Held der westlichen Welt“ aus dem Jahr 1907 reflektiert Prahlerei und Provinzlertum und wird im Stadttheater von Tobias Sosinka in Szene gesetzt (4./5./10./11. Juni).

Zuletzt geht’s in die östliche Welt: Das Wolgalied („Es steht ein Soldat am Wolgastrand“) ist wohl der bekannteste Hit in Franz Lehárs Operette „Der Zarewitsch“. Trallala-Triefromantik im Zehnerpack bis zum tragischen Schluss — ganz so leicht macht es Regisseur Robert Lehmeier sich und den Zuschauern nicht. In seiner Inszenierung für die Staatsoperette Dresden wird der russische Thronfolger, der keine Frauen in seiner Nähe duldet, zum bekennenden Homosexuellen. „Ein durchaus nachvollziehbarer Ansatz“, findet nicht nur Stadttheater-Dramaturg Matthias Heilmann. Auch Presse und Publikum in Dresden waren wider Erwarten von Lehmeiers modernem Konzept, das voller Seitenhiebe gegen Putins Gruselregiment und die grassierende Homophobie in Russland steckt. Eine vergiftete Praline zum Saisonschluss (6./7./8./9. Juli).

Alle Achte gibt’s für Nutzer des großen gemischten Abos. Das kleine gemischte Abo 1 umfasst „Tunnel“, „Caligula“, „Andorra“ und „Held der westlichen Welt“. Wer sich fürs kleine gemischte Abo 2 entscheidet, bekommt „Die Blechtrommel“, „Homo faber“, „Beatles Tanzabend“ und „Zarewitsch“.

Abo-Neubestellungen — das große gemischte Abo kostet zwischen 60 und 216, das kleine zwischen 32 und 122 Euro — nimmt das Stadttheater Fürth (Königstraße 116) bis 2. Oktober entgegen. Infos und Bestellzettel befinden sich im Spielplanheft zur Saison 2015/16.

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