Putzige Plagegeister in Zirndorf

2.7.2015, 06:00 Uhr
Putzige Plagegeister in Zirndorf

© privat

Tatsächlich ins Visier einer Waffe nehmen darf der Jäger die katzengroßen Kleinbären freilich nicht. Besiedeltes Gebiet ist befriedeter Bereich, in dem die Jagd verboten ist. Fürs Fallenstellen aber hat Staatz angesichts der Waschbären-Auswüchse – die Population hat ihm zufolge „explosionsartig zugenommen“ – eine Ausnahmegenehmigung.

Putzige Plagegeister in Zirndorf

© Fotos: Scherer/privat

Dass sich die kleinen Bären, die eigentlich gar nicht in hiesige Regionen gehören, sondern ursprünglich nur in Nordamerika zuhause waren, 1934 aber unbedachterweise in Nordhessen von einem Forstfachmann gezielt ausgesetzt wurden, zusehends in Zirndorf wohlfühlen, zeichnet sich Staatz zufolge schon länger ab. Den steten Zuwachs konnte er bereits vor drei Jahren, damals konzentriert auf Rothenburger-, Heine- und Albrecht-Dürer-Straße, beobachten. Dort sei amtlicherseits angeordnet worden, Kompostanlagen abzudecken. Das zeigte Erfolg, die Waschbären verzogen sich.

Nun aber tauchen sie geballt wieder auf: Staatz schätzt den Bestand im 250 Hektar großen Zirndorfer Stadtrevier auf 25 Paare. Und während die Biber, die sich ebenfalls zusehends in seinem Revier ansiedeln — derzeit zählt er drei Paare — gerade zwei Junge im Jahr nachzögen, könnten es bei Waschbären schon fünf werden. Macht die Bande Ärger, etwa, weil sie im Garten wühlt, erreicht die Beschwerde meist übers Rathaus den Stadtjäger. Der besucht die Tatorte und hat schon diverse Male die Erfahrung gemacht, dass die Menschen dem Treiben bereits länger zusahen, die putzigen Tiere aber erst meldeten, nachdem sie Zugang in die Wohnung gefunden hatten. Zum Beispiel über die Katzenklappe.

Die findige Waschbärdame, die dieses Loch entdeckte, ging Staatz an der Bibertinsel in die Falle. Er ließ sie allerdings wieder laufen. Es war ein Muttertier. Der Anliegerin konnte er nur raten, die Katzenklappe zu verschließen und sich ansonsten bis auf weiteres mit dem Tier zu arrangieren. „Vor Herbst ist nicht daran zu denken, es aus der Population zu nehmen, erst dann lösen sich die Jungen von der Mutter und gehen eigene Wege.“

Falle im Dauereinsatz

Das wohlformulierte „aus der Population nehmen“ umschreibt das Töten. Gefangene Männchen oder Jungtiere erschießt Staatz, auch wenn ihm das nicht gefällt, wie er sagt. „Doch was zu viel ist, gehört reguliert.“ Die Beschwerden und Schäden nähmen überhand. Regelmäßig nachts ab 2 Uhr spürt Staatz den kleinen Raubtieren nach, sie streunen durch die ganze Stadt, die Kastenfalle ist im Dauereinsatz. Dem Menschen könne der Waschbär allenfalls dann gefährlich werden, fühlt sich das Tier direkt bedroht, erklärt Staatz. Größer stuft er dessen Gefahr als Krankheitsüberträger ein.

Im Gefolge der umtriebigen kleinen Bären hat sich Ende Mai auch ein Biber in die Altstadt verirrt. Völlig desorientiert und verstört hatte er sich in einen Biergarten in der Spitalstraße zurückgezogen und fauchte Vorübergehende an. Bei der Polizei ging ein Notruf ein über ein gefährliches Vieh im Hof, berichtet Staatz.

Die Ordnungshüter rückten mehrere Streifen stark an und warteten vorsichtshalber das Eintreffen des Jägers ab. Er dirigierte das verschreckte Biberweibchen mit zwei Schaufeln und Unterstützung der Polizisten 700 Meter durch die Stadt zurück zur Bibert. Einfangen kam nicht in die Frage: „Der beißt einen Arm ab, als wär’ er ein Holzstecken“, so Staatz. Ob der ganzen Aufregung gar nicht recht erinnern kann er sich, ob es nun sechs oder acht Polizisten waren, die ihn, stets auf sicheren Abstand zu dem alles in allem 1,25 Meter langen Nager bedacht, begleiteten. „Auf jeden Fall war es eine beispielhafte Lebensrettung“, ist Staatz voll des Lobes für seine uniformierten Helfer.

Während bei dem scheuen Biber davon auszugehen ist, dass sich das Weibchen tatsächlich verlief, suchen die Waschbären als sogenannte Kulturfolger ganz bewusst die Nähe zum Menschen, vor allem zu deren Abfällen. Nahrungstechnisch sind sie Allrounder, schätzen das Ei oder den Vogel genauso, wie Gemüse oder Obst. Einmal als Futterquelle ausfindig gemacht, kann ein Waschbär einen ganzen Kirschbaum abernten. Ein Gourmet-Futterplatz ist für ihn offener Kompost. Ergänzt um einen maroden Schuppen oder ein verlassenes Firmengelände, das sich für die Aufzucht des Nachwuchses anbietet, sind das optimale Lebensbedingungen in einem ansonsten für Wild recht unwirtlichen Umfeld, wie Staatz erläutert.

Um dem Ausbreiten der Population Herr zu werden, bittet die Stadt die Zirndorfer jetzt dringend, Kompostanlagen in den Gärten abzudecken und keine Essensreste in die Toiletten zu kippen. Was in die Kanalisation gelangt, nützt indes weniger den Waschbären, sondern eher den Ratten. Sie sieht Bauhofleiter Ralf Klein ebenfalls auf dem Vormarsch. Diesbezüglich bewährt sich der Waschbär allerdings, er mag Ratten nicht, und er ist der Stärkere. Ergo: Wo Waschbären sind, gibt es keine Ratten.

 

Keine Kommentare