Reichsbodenfeld: Baustart in Aussicht

15.1.2012, 16:00 Uhr
Reichsbodenfeld:  Baustart in Aussicht

© Hans-Joachim Winckler

Der Stapel Papier, der sich mit den Bauplänen der Discounter-Kette Norma befasst, ist daumendick. Sein Inhalt sind neben Baugrund- und Schallgutachten auch viele DIN-A4-Seiten Informationen über die Pflanzen- und Tierwelt. Vom Kriechenden Sellerie ist die Rede und vom Böhmischen Franzenenzian, von Klappergrasmücke und Karmingimpel, von Feldlerche und Kiebitz. Vor allem von letzteren beiden. Feldlerche und Kiebitz nämlich sind geschützt, stehen auf der Roten Liste, müssen aber ihre Brutplätze räumen, wenn am Reichsbodenfeld gebaut wird.

Ein 40-Tonner am Tag

Und da soll einiges hin: Ein Verbrauchermarkt (nicht die klassische Norma, sondern ein Vollsortimenter) plus Apotheke, Sparkasse, Metzger, Bäcker. Das freut nicht jeden. Es gibt Befürchtungen, dass der Einzelhandel insbesondere in Oberfürberg unter der neuen Konkurrenz leiden könnte. In der jüngsten Sitzung des städtischen Bauausschusses stritt Baureferent Joachim Krauße das auch gar nicht ab.

Da es in der Nachbarschaft aber „nirgends tragfähige Ortskerne“ gebe, habe man bewusst die geografische Mitte als Standort für ein neues Nahversorgungszentrum ausgewählt. Das Gelände zwischen Breslauer Straße und Südwesttangente eben, das auch noch Platz bietet für eine neue Wohnsiedlung.

Von rund 200 Häusern war bisher die Rede. Bis das erste gebaut wird, dürfte noch etwas mehr Zeit verstreichen. Wenn alles glattläuft, meint Krauße, gehen heuer die Planungen über die Bühne.

Zunächst also steht der Bau des Nahversorgungszentrums an. Auch ein strittiger Punkt dabei bleibt die Anlieferung. Der Grund: Einmal täglich soll ein 40-Tonner die Laderampe frühmorgens ansteuern. Das aber ist, wie es heißt, von der Straße aus, die eines Tages ins Einkaufs- und Wohngebiet führen soll, nur rückwärts möglich. Für Norma kein Problem, die Firma praktiziert das öfter so. Straßenverkehrsamt und Tiefbauamt meldeten aber ebenso Sicherheitsbedenken an wie im Bauausschuss die Stadträte Harald Riedel (Grüne) und Heidi Lau (Freie Wähler).

„Kein Frevel“

Riedel wollte wissen, ob die Stadt mithafte, wenn es zu einem Unfall auf dem Gehweg komme. Dass etwas passieren könnte, befürchtet er auch deshalb, weil das nächtliche Anlieferverbot bis sechs Uhr früh gilt, einem rangierenden Lkw also durchaus Schüler in die Quere kommen könnten. Krauße indes verwies auf die „Eigenverantwortung des Betriebes“. Und Oberbürgermeister Thomas Jung meinte: „Absolute Sicherheit kann niemand erzeugen.“

Riedels Vorschlag, der Lkw-Fahrer solle sich jeweils einen Einweiser aus dem Geschäft zu Hilfe holen, war schließlich ebenso rasch vom Tisch wie das Thema Vögel.

Aus Kraußes Sicht besteht zum Schutz von Feldlerche und Kiebitz vorerst noch kein akuter Handlungsbedarf. Zum einen, argumentiert der Referent, bleibe den Vögeln Raum zum Brüten, solange das benachbarte Wohngebiet nur auf dem Papier existiert. Zum anderen seien ja bereits Ausgleichsflächen vorgesehen.

Einwand von Harald Riedel: Eine der geeignetsten Flächen befinde sich im Stadtnorden just dort, wo eines Tages die Hüttendorfer Talquerung entstehen soll. Wie also, fragte Riedel, könne unter solchen Voraussetzungen ein Baubeginn am Reichsbodenfeld verantwortet werden?

„Was wir hier machen, ist kein Frevel an der Umwelt“, stellte Krauße klar. Und auf Nachfrage sagte er, dass es noch keine verbindliche Planung für die Hüttendorfer Talquerung gebe. Soll heißen: Die Straße müsste gegebenenfalls um das Vogelschutzareal herum gebaut werden. Oder: Das Ausgleichsgebiet würde überbaut. Dafür müsste dann natürlich wieder ein Ausgleich her...

Fest steht: Die große Mehrheit der Stadträte im Bauausschuss ist überzeugt, dass den Bauplänen von Norma weder bedrohte Vogelarten noch etwaige Verschiebungen von Kundenströmen oder möglicherweise riskante Rückwärtslademanöver im Weg stehen. Mit zwei Gegenstimmen (Grüne und Freie Wähler) winkte sie das Projekt durch. Das bedeutet: Demnächst werden die Unterlagen einen Monat lang im Rathaus öffentlich ausgelegt. Wer will, kann sie dort einsehen und Einwände geltend machen.

7 Kommentare