Schanktresen statt Werkbank

18.4.2014, 06:00 Uhr
Schanktresen statt Werkbank

© Ilona Kriesl

Im „Grauen Wolf“ beginnt das Mittagsgeschäft: In der Gastwirtschaft hat sich eine Herrenrunde eingefunden, die Männer trinken Weizenbier, scherzen und lachen. Käthe und Ernst Mälzer ziehen sich in ein Nebenzimmer zurück. Auf den Tischen stehen Salz- und Pfefferstreuer, daneben Tulpen in einer Vase. Obwohl das Lachen der Gäste noch durch die Zimmertür schallt, ist es hier ruhiger, ein wenig abseits vom Trubel. Das wünscht sich das Ehepaar auch für die Zukunft: Ruhe und mehr Zeit füreinander.

Der „Graue Wolf“ ist das, was man einen echten Familienbetrieb nennt. Das Ehepaar führt die Wirtschaft schon in der vierten Generation. „Mein Urgroßvater Kaspar Kunzmann hat das Geschäft im Jahr 1902 gekauft“, erzählt Käthe Mälzer. Danach übernahm ihre Großmutter die Gaststätte, die den „Wolf“ wiederum ihrer Tochter vermachte. Am 1.Januar 1980 bekam schließlich Käthe Mälzer die Gastwirtschaft. „Dass ich den Grauen Wolf übernehmen würde, stand von Anfang an fest. Ich war schließlich ein Einzelkind.“

Auf seine Zukunft als Gastronom konnte sich Ernst Mälzer dagegen nur kurz vorbereiten: „Bis Ende des Jahres 1979 habe ich noch bei Siemens als Werkzeugmacher gearbeitet“, erzählt der 66-Jährige. „Damit musste ich dann aufhören — das hat mein Schwiegervater vorausgesetzt.“ Ein paar Monate später leitete das Ehepaar die Wirtschaft im Alleingang, organisierte Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen und Geburtstage. Wie viele Feste es in den letzten 35 Jahren wohl waren? Käthe Mälzer wirft ihre Hände nach oben, lacht und schüttelt dann mit dem Kopf: „Nein, so etwas kann man doch nicht schätzen! Das waren so viele.“

Zu der Wirtschaft gehören zwei Säle, Großveranstaltungen standen auf der Tagesordnung. „Bei uns war freitags oft Kino, samstags ein Ball und sonntags noch Kirche“, berichtet Ernst Mälzer. Als in den Siebzigerjahren die Stadtkirche umgebaut werden musste, feierte die Gemeinde den Gottesdienst kurzerhand im Saal der Gaststätte. Ob Faschingsball, Tanzabend oder Bürgerversammlung: Die Rollenverteilung blieb bei den Mälzers stets gleich. „Ich bin in der Küche und mein Mann im Service. Beim Essen liebt er‘s nämlich scharf“, verrät Käthe Mälzer. Und Ernst Mälzer bestätigt: „Das stimmt, ich lass‘ sogar Wasser anbrennen.“

Wie anstrengend der Beruf als Gastwirt sein kann, haben die beiden in den letzten Jahrzehnten am eigenen Leib erfahren. „Es gab Tage, an denen wir bis zu 22 Stunden gearbeitet haben“, sagt die 64-Jährige. „Vor allem in der Faschingszeit haben wir kaum Schlaf gefunden. Eine Tanzveranstaltung reihte sich an die andere.“ Was gut für das Geschäft ist, hat dem Ehepaar viel Kraft abverlangt: „Das Familienleben leidet sehr darunter. In den letzten Jahren haben wir gemerkt, dass wir aufgebraucht sind“, erzählt die Gastronomin. So reifte der Entschluss, in den Ruhestand zu gehen.

Die Freude über diese Entscheidung überwiegt momentan — „auch, weil einem viel Verantwortung von den Schultern genommen wird“, erklärt Käthe Mälzer. Am Karfreitag wollen sie den „Grauen Wolf“ in die Hände ihrer Nachfolger übergeben, die die Wirtschaft pachten werden.

Lange haben sie nach geeigneten Gastronomen Ausschau gehalten. „Bei den beiden, einem Koch und seiner Lebensgefährtin, hat das Bauchgefühl schließlich gestimmt“, erklärt Käthe Mälzer. Die beiden blicken nun optimistisch nach vorne — auch was die Zukunft des „Grauen Wolfes“ betrifft. „Wir überlassen unseren Nachfolgern viele Stammkunden“, sagt Ernst Mälzer, „und einen vollen Auftragskalender.“

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