Schräges Südstadtgeflüster aus Nürnberg

1.5.2016, 10:00 Uhr
Schräges Südstadtgeflüster aus Nürnberg

© Foto: Film

Am Mittagstisch eröffnen ihm seine Eltern, dass es an der Zeit ist, auszuziehen und endlich auf eigenen Füßen zu stehen. Dabei taugt es dem Studenten David im Hotel Mama ganz gut. Doch sein Vater ist scharf auf das Zimmer des Filius, in dem er seine Modelleisenbahnanlage aufbauen will. Also wird David kurzerhand vom flachen Land in die pulsierende Großstadt verfrachtet — in die Wohnung der kürzlich beziehungsweise eigentlich schon vor drei Jahren gestorbenen Oma in der Nürnberger Südstadt. Dort lernt er nicht nur willige Veganerinnen, dauerkiffende Nachbarn und schlitzohrige türkische Supermarktbesitzer kennen, sondern lernt auch, wie man Leichen entsorgt und den Geruch aus dem Zimmer kriegt.

Das Kinoplakat von „Südstadtgeflüster“ erinnert nicht ohne Grund an Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“, und so verliert sich auch die Spur von David im Laufe der vier Film-Kapitel, die zwar immer irgendwie zusammenhängen, jedoch auch für sich alleine stehen. Und die natürlich alle im wilden Süden der Frankenmetropole spielen, jenem Teil der Stadt, wo Nürnberg noch Nürnberg ist und nicht versucht, so zu sein wie Berlin vor zehn Jahren.

Erdacht, geschrieben und finanziert wurde „Südstadtgeflüster“ von Christian Hilgert (43) und Andreas Weber (23). Innerhalb von eineinhalb Jahren haben die zwei, die sich bei dem kleinen Nürnberger Alternativsender Radio Z („SchniggSchnagg“) kennengelernt haben, ihr Projekt souverän gestemmt. Ursprünglich war nur ein schneller Kurzfilm geplant, jetzt ist ein stolzer 90-Minüter daraus geworden, der eine betont kauzige, reichlich schwarzhumorig geratene Hommage an einen oft unterschätzten Teil von Nürnberg geworden ist. Da steckt viel Gerhard Polt und viel Fitzgerald Kusz drin, aber auch eine heimliche Liebe zu Zombiefilmen.

Rund 15 000 Euro hat „Südstadtgeflüster“ gekostet. Gagen gab es keine, alle Beteiligten vor und hinter der Kamera waren ehrenamtlich dabei. Artem Selenov hat diesen Mix aus Komödie, Krimi und Milieustudie locker aus der Hand gefilmt. Neben den Franken-„Tatort“-Ermittlern Matthias Egersdörfer und Andreas Leopold Schadt spielen unter anderem Lizzy Aumeier, Philipp Moll, Susie Südstadt sowie NN-Redakteurin und „Heldin des Alltags“-Kolumnistin Anette Röckl mit.

Wir erleben singende Frisöre und erboste Supermarkt-Zombies, heidnische Fenchel-Rituale am heiligen Berg der Franken, einen sprechenden Habicht und dass es immer wichtig ist, auf den „Point of save return“ zu achten. Letzteres ist, wie Regisseur Christian Hilgert als unbeirrbarer Taxifahrer im Film erklärt, wie bei einem One-Night-Stand, wenn man. . . egal. Bitte der Aufforderung „Kommst du Südstadt!“ folgen und den schrägen Streifen selbst angucken.

„Südstadtgeflüster“: Fürth-Premiere am 1.Mai, 14 Uhr, Babylon-Kino am Stadtpark (Nürnberger Straße 3).

*Der Feiertag im Babylon beginnt um 10 Uhr mit einem Weißwurstfrühstück samt Freiluftfassbier. Die Cineasten kommen ab 11 Uhr auf ihre Kosten mit der Matinee-Preview des französischen Spielfilms „La belle saison — Eine Sommerliebe“. Krowis Puppenbühne schickt um 15 Uhr „Genoveva von Stinkova auf Geschenkejagd“ — für Kinder ab 3 Jahren.

Am heutigen Vorabend des 1. Mai wiederum steigt im Babylon wieder das traditionelle finnische Vappu-Juhla-Fest. In Zusammenarbeit mit dem finnischen Plattenladen Kioski läuft um 21 Uhr der skandinavische Spielfilm „In aller Liebe“ samt 30-minütigem finnischen Kurzfilmprogramm, ehe ab 22.30 Uhr in der Finnendisko im Babylon-Keller bei reichlich Salmiakki (Lakritz-Wodka) in den Mai getanzt wird.

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