Segensreiche Datenleitung

22.8.2017, 10:03 Uhr
Segensreiche Datenleitung

© Foto: Thomas Scherer

Nicht-Franken dürften ihre liebe Not damit haben, den Titel zu verstehen. Aber die fränkische Sprache ist eben geprägt von D-Lauten. Oberbayern und Norddeutsche brauchen zum Verstehen erst einmal eine Übersetzungshilfe. Um die "Datenleitung" geht es an diesem Abend in erster Linie theoretisch, aber auch mittels einer praktischen Erfindung. Rainer Dohlus, im Haupt- und Brotberuf Physikprofessor für sogenannte Laserkurzzeitspektroskopie an der Hochschule Coburg, gelingt es mit dezentem oberfränkischen Akzent ganz hervorragend, sein Publikum sehr anschaulich in diese Materie einzuführen, die unser heutiges Leben weitgehend prägt.

Volles Rohr

Aufgebracht telefonierend betritt er den Saal. Sein Beratungsgespräch mit der Service-Hotline dauere nun schon eine Stunde und er müsse immer wieder diverse Auswahltasten drücken, weil es die freundliche Automatenstimme so wolle. Auf der Bühne angekommen, macht er das Publikum mit seiner Erfindung bekannt: Eine Bier-Pipeline für Privathaushalte, die Leerrohre der Breitbandverkabelung nutzt. "Platz wäre dort neben dem Glasfaserkabel genug." Ein Zapfhahn sei dann als "Bierdatenweiche" erforderlich und man bräuchte nur noch einen "Bierprovider". Übergangslos unternimmt Dohlus immer wieder Abstecher in die schöne Cyberwelt, die längst ihr Netz über uns ausgeworfen hat, in dem wir zappeln. Sie kennt unsere Kaufabsichten, registriert unsere Besuche bei Juliane und Natascha, schaut uns ins Gehirn und wertet unsere Gedanken aus.

Flugs geht es zum autonomen Fahren, wo nebeneinander parkende Autos mittels Datenaustausch miteinander kommunizieren. Vor der Pause verteilt der Kabarettist auch noch Fragebögen zur Breit-Bier-Verkabelung, zur Bier-Pipeline, zur Angst, dass Trinkgewohnheiten überwacht werden könnten und zur Frage, was besser sei: Bier selbst zu zapfen oder online zu bestellen. Die Namensnennung auf dem Fragebogen geschieht natürlich freiwillig.

Nach der Pause geht es ans Auswerten – mit skurrilen Antworten und raffinierten Verbesserungsvorschlägen. Für die Version 2.0 wird etwa vorgeschlagen, auch Rotwein durch die Bierleitung zu versenden. Und dann taucht zur allgemeinen Erheiterung auch noch der ausgefüllte Fragebogen eines Horst Seehofer auf.

Für die Jüngeren im Publikum wird die Funktionsweise einer Schreibmaschine erklärt: "Früher hat man Mitteilungen sogar noch mit der Hand geschrieben und es gab ein Briefgeheimnis, dessen Verletzung eine strafbare Handlung war." Was Rainer Dohlus neben launiger Unterhaltung anstrebt, ist Aufklärung darüber, wie man dem Netz ein Schnippchen schlagen kann. Es ist kein Abend zum Schenkelklopfen. Eher einer zum Nachdenken über die Eigendynamik einer technischen Entwicklung, die zunehmend Besitz von uns ergreift.

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