Skelettfunde zeugen von Roßtals uralter Geschichte

6.5.2016, 11:00 Uhr
Skelettfunde zeugen von Roßtals uralter Geschichte

© Foto: Horst Linke

Von einem Sensationsfund möchte Liebert nicht sprechen. Denn der Bereich vor der einstigen Burg war schon früher immer wieder Fundort von alten Gräbern. Trotzdem fügen sich für ihn die Ausgrabungen wie Puzzleteile mit anderen historischen Quellen zu einem Gesamtbild zusammen: „Sie zeigen, dass die Burg nicht nur dauerhaft bewohnt war, sondern auch dass hier vergleichsweise viele Menschen lebten.“

Für die Geschichte Roßtals wie auch der Region seien sie daher ein wichtiger Fund, der den Kenntnisstand zur frühen Geschichte dieses Raums deutlich erweitern werde. Zu Tage kamen die Grabstätten bei Tiefbauarbeiten für ein neues Wohn- und Geschäftshaus. Funde, die weitere archäologische Untersuchungen notwendig machten.

Bergung fast abgeschlossen

„Auf der relativ kleinen Bebauungsfläche konnten wir 17 Bestattungen von Kleinkindern, Kindern und Erwachsenen feststellen“, berichtet der Roßtaler Archäologe, der die Erfassung und Bergung der Skelette bis Pfingsten abschließen möchte.

Alle Toten sind in West-Ost-Richtung und vollkommen beigabenlos, ohne Sarg und nur mit einem Leichentuch gekleidet, bestattet. Dies weise auf christliches Totenbrauchtum hin, so Liebert. Sie liegen in drei Reihen, eng beieinander. „Die Gruben sind keinen Zentimeter größer als notwendig“, sagt er und erklärt diese Tatsache mit dem felsigen Untergrund, der das Graben erschwert haben muss. Die Experten gehen von einem Bestattungszeitraum zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert aus. Für diese Zeit gibt es schriftliche Belege für eine stadtähnliche, gut fünf Hektar große Burganlage in Roßtal, die „urbs horsadal“. Dank einer Lehmschicht haben sich die allermeisten Knochen über die Jahrhunderte erstaunlich gut konserviert.

An einem der menschlichen Überreste, Liebert nennt ihn aufgrund seiner Größe von fast 1,90 Meter „den Riesen“, kann er sogar Abriebspuren am Gebiss erkennen. „Es ließ sich früher gar nicht vermeiden, dass kleine Partikel von den Mühlsteinen ins Mehl gelangten“, erklärt er die abgeschliffene Zahnreihe. Etwa einen Meter neben diesem männlichen Skelett ist das eines Kindes dagegen kaum noch zu erahnen. „Hier befand sich eine Sandschicht, die die Zersetzung der Knochen deutlich erleichtert hat“, so Liebert.

Bevor alle 17 Skelette – zwölf Erwachsene, fünf Kinder – zu weiteren Untersuchungen ins Bayerische Landesamt für Denkmalpflege nach Nürnberg gebracht werden, erfassen Liebert und seine Frau Klara Rüdiger die Auffindesituation. „Statt der bislang üblichen Zeichnungen auf Millimeterpapier wenden wir hier das Structure-from-motion-Verfahren an“, erläutert Rüdiger.

Dreidimensionales Bild

Dabei werden die Relikte aus verschiedenen Winkeln von einer Digitalkamera fotografiert und anschließend am Rechner zu einem dreidimensionalen Bild zusammengefügt. Damit könne man nicht nur den Fund genauer dokumentieren, sondern auch den Grundstückseignern und Bauherrn entgegenkommen, weil die archäologischen Arbeiten schneller abgeschlossen werden.

Die weiteren Untersuchungen übernehmen dann Anthropologen, die daraus Erkenntnisse zu möglichen Krankheiten, Lebensbedingungen und Verwandtschaftsverhältnissen ziehen können. Übrigens nicht nur zwischen den Toten, sondern möglicherweise auch zu alteingesessenen Roßtaler Familien – sofern von diesen die DNS zum Abgleich vorliegt. Vielleicht erfährt also demnächst der ein oder andere, dass ein Urahn in einem der Gräber lag.

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