So geht Freiheit

19.4.2018, 17:00 Uhr
So geht Freiheit

© Foto: Edgar Pfrogner

"Ich war in New York, als ich gemerkt habe: Es gibt alles." Helmut Kirsch erinnert sich exakt an diesen Augenblick. "Ich war am Boden zerstört." Als er das nächste Mal zu seinem Skizzenbuch griff, zeichnete er ein Rechteck, dessen Begrenzungslinien sich überschnitten. Was dazu gedacht war, "dem Blatt eine Festigkeit zu geben", wurde für ihn zum Befreiungsschlag.

"Ich schaute mir das an und dachte: Das reicht doch." Er begann, die bewussten Linien in immer neuen Werkstoffen zu zeichnen, nutzte harte und weiche Bleistifte, Tusche, Kuli; arbeitete Freihand oder mit Lineal. Kirsch hatte entdeckt, was er seither als "Definition" bezeichnet: ein Gebilde, das stets eine Fläche abgrenzt, aber nicht zur Einschränkung wird. Vielmehr scheint es, als mache die Festlegung die allgegenwärtige Reizüberflutung erst erträglich, weil sie auch eine Form von Orientierung bietet.

Sein spielerischer Umgang mit dem von ihm entdeckten Bildgegenstand öffnete Kirsch seither eine neue Freiheit. Der Künstler, der 1949 in Schwabach zur Welt kam und an der Nürnberger Kunstakademie studierte, sagt: "Als ich damals aus New York zurück kam, ist meine Arbeit, die zuvor schwer war, leicht geworden."

In den MUK-Räumen zeigt er nun Arbeiten, die größtenteils "aus dem Fundus" stammen. Eine Ausnahme, die auf Anregung von Kuratorin Gisela Hoffmann möglich wurde. So ist jetzt eine konsequente Schau zu erleben, die sehr linear deutlich macht, wie universal Helmut Kirsch sein großes Thema dekliniert.

Dazu gehören zum Beispiel vier Arbeiten in Mischtechnik, die jeweils aus zwei Teilen bestehen. In den oberen Hälften geht es jeweils um den Umgang mit den verwendeten Materialien ("Das Prozesshafte ist für mich ganz wichtig"). Ein aufgelegter Papierbogen lässt Räumlichkeit erahnen, Lasuren grenzen glänzende von matten Partien ab.

Die andere Hälfte dieser Gruppe wird von Kirschs Definitionen belegt. Und wieder erscheint das Rechteck, dessen Begrenzungslinien sich überschneiden, in einer überraschenden Vielfalt. Für den Künstler hat es sich längst auch als "ein Element erwiesen, mit dem ich jede Komposition ins Lot bringen kann".

Eine ordnende, Erkenntnis verheißende Qualität, die auch in den beiden Video-Arbeiten Kirschs zu entdecken ist. Zu Klängen, die er eigens ertüftelt hat, tauchen Bilder und Zeichnungen auf dem Bildschirm auf. "Was mich interessiert, ist die Stelle, an der beide Bilder auf dem Höhepunkt ihrer Überschneidung sind", so der 68-Jährige. Für einen flüchtigen Moment ereignet sich dieses Zusammentreffen in einer durchscheinenden Farbigkeit, die allein in Pixeln darstellbar ist.

Erstmals erlaubt Kirsch auch einen Blick in seine Skizzenbücher, die eine Ahnung davon geben, wie sich seine ganz besondere Bildwelt aufbaut. Seine Ausstellung, die morgen startet , ist auch Thema für den "Kleinen MUK". Zum neunten Mal sind Kinder zwischen sechs und elf Jahren eingeladen (1. oder 2. Juni), die Welt der Kunst zu erkunden. MUK-Vorstand Robert Neupert bekam gerade erst erfreuliche Post aus Berlin: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat den "Kleinen MUK" in sein Förderprogramm aufgenommen.

Und eine zweite gute Nachricht gibt es: Die Galerie kann auf jeden Fall bis Februar 2019 in ihrem derzeitigen Raum in der Pinderpark-Ladenpassage bleiben. Damit ist auch die Beteiligung an der kommenden Biennale der Zeichnung gesichert.

ZSiehe "Fürther Kunststücke" auf dieser Seite

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