Sorgen im Paradies

6.2.2018, 21:00 Uhr
Sorgen im Paradies

© Thomas Scherer

Erstmals gab es für die Rothenberger eine eigene Bürgerversammlung. Und das Interesse war groß, viel größer als gedacht: Anstatt der erwarteten 20 Einwohner kamen rund 80 ins Dorfgemeinschaftshaus an der Burgstallstraße. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage nach der künftigen städtebaulichen Entwicklung Rothenbergs. Antworten darauf will die Gemeinde Obermichelbach in Zusammenarbeit mit den Bürgern finden.

Deswegen hat sie Experten hinzugezogen, die den Prozess begleiten: die Stadt- und Raumplanerin Kristina Vogelsang und den Landschaftsplaner Sebastian Klebe aus Nürnberg. Sie waren gekommen, um ein erstes Stimmungsbild zu erfassen: Was charakterisiert Rothenberg? Was macht seinen Wohnwert aus? Was soll sich auf keinen Fall verändern?

"Gleiches Recht für alle"

Bürgermeister Herbert Jäger erklärte eingangs noch einmal, warum man diesen Prozess angestoßen habe. So stamme der jetzt gültige Bebauungsplan aus den 1970er Jahren und berücksichtige die mittlerweile neue Art des Bauens nicht. Eine mögliche Nachverdichtung lasse das Regelwerk ebenfalls nicht zu. Der Gemeinde aber liegen fünf Anfragen von Bürgern vor, die auf ihren Grundstücken gerne an-, um- oder neu bauen würden. Der Gemeinderat will indes nicht über jede neu eingereichte Bauanfrage aus Rothenberg gesondert verhandeln und eine Einzelfallentscheidung treffen, sondern "gleiches Recht für alle" schaffen. Das wiederum könnte mittels eines geänderten Bebauungsplans detailliert geschehen.

In diesem Zusammenhang machte der Rathauschef aber eines auch ganz deutlich: "Die Gemeinde beabsichtigt nicht, Rothenberg extrem zu verdichten und seinen Charakter dadurch total zu verändern. Und niemand wird gezwungen, zu bauen." Doch momentan finde im Ortsteil ein Generationenwechsel statt, der sich in den nächsten Jahren noch fortsetzen werde. Vor diesem Hintergrund werde es notwendig, über zusätzliche Bebauung nachzudenken.

Damit aber kein Wildwuchs entsteht, will die Gemeinde den Prozess bewusst steuern. "Wir müssen jetzt darüber entscheiden, wie Rothenberg in 20 Jahren aussehen soll. Und da, wo man bauen könnte, sollte man es in verträglichem Maß ermöglichen."

Das sah an diesem Abend nicht jeder so. Ein Besucher verwies auf die zahlreichen architektonisch wertvollen Häuser in Rothenberg, die auf parkähnlichen Grundstücken stehen und forderte, dieses "Alleinstellungsmerkmal" unter Denkmalschutz zu stellen. In Rothenberg lebe man bislang wie im Paradies — und das müsse auch so bleiben, so die Forderung. "Außerdem können wir das Wohnungsproblem Bayerns nicht in unserem Ortsteil lösen."

Ein anderer Bürger befürchtet, dass ein gelockerter Bebauungsplan Investoren auf den Plan ruft, die Flächen systematisch aufkaufen könnten — um hier hochpreisige Wohnungen zu errichten. "Es sollte alles getan werden, um das zu verhindern", hieß es.

Unerschwingliche Grundstücke

Dass indes 1500 bis 2500 Quadratmeter große Grundstücke jetzt und in Zukunft nur noch schwer zu verkaufen sein dürften, darauf wurde ebenfalls hingewiesen. Aufgrund der hohen Grundstückspreise könnte sich eine Familie mit Durchschnittseinkommen ein derart opulentes Areal nicht leisten – und wolle dies mitunter auch gar nicht. Schließlich müsse ein parkähnlicher Garten aufwendig gepflegt werden.

Deutlich wurde an diesem Abend eines: In Rothenberg schätzt man das naturnahe Wohnen, die guten Verkehrsanbindungen Richtung Stadt, dass man seinem Nachbarn nicht direkt auf den Tisch schauen muss, die flache Bauweise — und dass Besucher noch Parkplätze finden.

Bis zum kommenden Freitag haben die Rothenberger nun noch Gelegenheit, einen vom Planungsbüro Vogelsang erstellten Fragebogen zu möglichen Veränderungen im Bebauungsplan zu beantworten. So soll dokumentiert werden, was vorstellbar und gewollt ist und was abgelehnt wird. Dabei wird aber nicht nur die Einstellung zur Nachverdichtung abgefragt. Die Bürger sollen sich auch dazu äußern, ob sie sich beispielsweise andere Dachneigungen als die bisher üblichen 33 Grad vorstellen können. Und welche Meinung sie zu Aufstockungen und Anbauten haben.

Sobald die Ergebnisse vorliegen, wird der Gemeinderat diese als Grundlage nutzen, um über das weitere Vorgehen und damit über eine mögliche Neuregelung des Bebauungsplans zu diskutieren.

Abschließend betonte Jäger noch einmal: "Der Gemeinderat will nichts überstülpen. Uns ist aber auch bewusst, dass wir nie alle zufrieden stellen können."

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