Spaghetti-Western kleckern nicht

26.6.2017, 09:30 Uhr
Spaghetti-Western kleckern nicht

© Foto: Thomas Scherer

Spaghetti-Western kleckern nicht. Und Bela B ist eh kein Mann, der sich mit Halbheiten zufrieden gibt. Wenn der 54-Jährige, der seit den frühen 80ern zur Keimzelle der "Ärzte" zählt, eine Obsession hat, dann wird geklotzt. Der Sänger, Drummer und Gitarrist hat seiner Leidenschaft fürs Vampir-Genre, Abteilung Schund, eine weitere hinzugefügt: Jetzt wird dem Wilden Westen gehuldigt, mit Vorliebe da, wo sich das Schmalz des zweifelhaften Geschmacks mit Wüstenstaub vermischt.

Mag auch KulturPalast-Vorstand Andreas Radlmaier, von "gemischter Sauna" sprechen, wenn von den Temperaturen auf dem Heuboden die Rede ist – ein Bela B weiß, wie sich Helden kleiden. Hemd in Lametta-Silber, enge Weste, Fliege und Stiefel. Ja, was denn sonst? Für seinen Ritt über die Pampa hat er die besten Begleiter überhaupt gefunden: Die versierte Sängerin Peta Devlin ("Die Braut haut ins Auge") und die Schwabacher Formation Smokestack Lightnin’.

Gemeinsam hat diese formidable Truppe bereits aus einem berüchtigten Italo-Western ein Hörspiel gemacht: "Sartana – Noch warm und schon Sand drauf." Der Soundtrack und mehr finden sich auf dem Album "Bastard", das im Februar auf den Markt kam. Der Auftritt im "KulturPalast" war jetzt der Startschuss für die Tournee, die bis November quer durch Deutschland führen wird.

Frisch und punktgenau

Im Wolfgangshof werden der B-Westernheld und seine Zuhörer – ungeachtet der hitzigen Temperaturen – nur zögernd miteinander warm. An der frisch und sehr punktgenau aufspielenden Combo liegt das nicht. Es sind ein deutlich hochmotivierter Bela B und sein noch nicht ganz auf den Ritt in den Sonnenuntergang eingestimmtes Publikum, die ein bisschen miteinander fremdeln.

Das liegt möglicherweise auch daran, dass die Gags nicht recht zünden wollen, die der Punker der frühen Jahre anbietet ("Kennt ihr den kürzesten Witz? Nein? Der geht so: Brennholzverleih!"). Kaum einer lacht und Laramie ist weit. Doch spätestens bei "Einer bleibt liegen" läuft’s. Belas Begeisterung für das zugehörige Video, das die wunderbare Augsburger Puppenkiste mitgestaltete, stößt auf das Kopfnicken von Kennern.

Am Ende hat er dann alle im Schlepptau. Was fast ein kleines Wunder ist bei diesem wilden Mix aus Country-Klängen und Rock ’n’ Roll, aus innigem Western-Nonsens und ungeniertem Gefühl, wenn es plötzlich ums Flüchtlingselend geht — oder um Gunter Gabriel. Die Hommage kommt unerwartet und stilvoll daher: Bela B singt "Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld". Auf dem Heuboden geht eben einfach alles auf wundersame Weise zusammen. Darauf, Bela, "eine laktosefreie Milch".

PVier Tage mit prallem Programm, 80 ehrenamtliche Helfer, eine Ausstellung mit gut 50 Künstlerinnen und Künstlern, Lesungen mit Ewald Arenz und Elmar Tannert, ungezählte Mitwirkende auf und hinter der Bühne – der "KulturPalast" ist nicht zuletzt auch eine organisatorische Leistung. Besonders viele Stühle mussten für ein kabarettistisches Gipfeltreffen mit Musik auf dem großen Heuboden aufgestellt werden. "Doppelkopf mit Streichquartett" kam ohne Spielkarten aus, punktete aber mit einer unkonventionellen Begegnung: Der Kabarettist Andreas Rebers amtierte als Gastgeber und bat Kollegin Monika Gruber zum Schlagabtausch. Kein Duett, beileibe nicht. Aber eine Begegnung mit Ecken und Kanten.

Monika Gruber nutzte die Gelegenheit und testete vor Publikum Teile ihres neuen Programms "Wahnsinn", das erst im November Premiere feiern wird. Ausgerüstet mit Aktenordner und Stift präsentiert sie zum Beispiel Gedanken zur Grundlage bayerischer Gelassenheit, die ganz offenbar in ihrer Familie erfunden wurde. Weibliche Ahnungen werden erörtert ("Wenn mein Alter duscht, dann weiß ich, was los ist") und erläutert, warum die Bekanntschaft mit einem Date namens Dirk besser nicht vertieft wird. Eher unerwartet waren dagegen ihre Anmerkungen in Sachen Medienkritik ("Ich möchte nicht erzogen werden, sondern ernst genommen") und eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Diskussionskultur ("Es kann doch nicht alles nur Schwarz oder Weiß sein"). Noch einmal tauchte unter anderem aber auch die unfassbare Forderung von Kölns OB Henriette Reker auf, die postuliert hatte, Frauen sollen zu Fremden sicherheitshalber eine Armlänge Abstand halten.

Andreas Rebers holte weit aus und schlug einen Bogen vom Tegernseer Janker ("Eine Art von geistiger Pickelhaube") zu der Frage: "Wenn man in diesem Land etwas nicht sagen darf, weil es angeblich falsch klingt, wo bleibt dann die Wahrheit?"

Ein Abend, der sich ebenso wenig der geläufigen Harmonie verschrieb, wie das Programm mit dem das Streichquartett des Bayerischen Staatsorchesters aufwartete. Als Begleitung zu Rebers und Grubers wählten die vier zum Beispiel Hindemiths musikalische Parodie "Armeemarsch 606". Ein Stück, wie Andreas Rebers versicherte, "friedlicher Militärmusik". Eine Paradoxie, die dem Abend erstaunlich gerecht wurde.

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