Spannungslose "Belafonte Story" im Stadttheater

27.11.2014, 14:00 Uhr
Spannungslose

Der Mann ist ein Säulenheiliger. Harry Belafonte, mittlerweile 87 Jahre alt, residiert längst im Olymp der Guten. Selbstverständlich hat der amerikanische Entertainer eine atemberaubend beeindruckende Vita. Da ist sein Aufstieg aus bedrückenden Verhältnissen. Seine mutige Karriere. Sein maßgebliches Eintreten gegen Unterdrückung und Diskriminierung.

Martin Luther King und John F. Kennedy zählten zu seinen Freunden. Bob Dylan hielt er den Steigbügel, als der Musiker und Lyriker noch ein Nobody war. Obendrein kann nahezu jeder bei Bedarf einen Belafonte-Song anstimmen. So einem Mann eine Hommage zu stricken, muss doch eine leichte Übung sein.

Ist es aber nicht so ganz. Den Beweis tritt das Schauspiel mit Musik von Gerold Theobalt an. Freilich ist hier ein unterhaltsames Medley gelungen. Die Hits perlen wie am Schnürchen ins Ohr. Ron Williams hat einen Galaabend für sich und seine Stimme daraus gezaubert. Dankenswerterweise gibt er keine Vokalkopie zum Besten, sondern bleibt weitgehend Ron mit Harrys Liedern. Zum Problem wird die Story, die vorgibt, aus dem Abend mehr zu machen, als eine sympathische Nummernrevue. Belafontes Biografie – spannend genug ganz fraglos – wird hübsch chronologisch ausgeleuchtet. Der Start ins Lebenswerk beginnt auf der Bühne wie ein guter Witz: Kommt ein Mann in eine Bar. . .

Klar, der Fremde ist Harry. Noch weniger erstaunlich ist, dass er alsbald erkannt wird. Wie praktisch, dass dieser ungemein elegante dramaturgische Kunstgriff gleich für ein paar passende Kollegen sorgt. Als Barfrau serviert Maureen Wyse die perfekten souligen Noten. Karsten Kenzel macht nicht nur als Rapper eine gute Figur. Angela Roy als Belafontes zweite Ehefrau Julie Robinson-Belafonte und Peter Hohenecker als Wirt vervollständigen die illustre Runde, während Thomas E. Killinger als Barpianist agiert.

Das Arrangement funktioniert soweit ohne Knirschen. Beflügelnd wirken die Konstruktionen, die die Lebensstory nach vorne treiben sollen, nicht. Eröffnungen im Stil von „Gerade kamen mir die 60er Jahre in den Sinn . . .“ haftet leider etwas arg Bemühtes an. So wird der Abend von ganz viel allerbestem Willen zusammengehalten. Damit werden Aufreger vermieden. Aber bei aller Liebe kein Spannungsbogen erzeugt.

Dabei bietet der reale Harry Belafonte durchaus Seiten und Züge an, die sein Bild dreidimensional erscheinen lassen. Seine Verdienste als Friedensaktivist und Bürgerrechtler soll keiner schmälern und doch gibt der bis heute überzeugte Sozialist manchmal Merkwürdiges von sich, das durchaus diskutiert werden kann. Mit einem einzigen Seitenhieb wenigstens wird auf der Bühne seine Spielsucht angesprochen, die wohl am Ende mit zur Zerrüttung seiner Ehe mit Julie beitrug.

Dem Bild, das Ron Williams als Harry Belafonte abgibt, tut die Politur nicht wirklich gut. Ein korrekter Held singt da mit viel Emphase seine Lieder, gerade einmal einen Hang zur Unpünktlichkeit muss er sich hier nachsagen lassen. Damit wurde eine Chance verpasst. Auch für Williams, der sich seiner Songs mit Charme annimmt, ansonsten aber erstaunlich unberührt bliebt.

Das Finale holt zur großen Botschaft aus. „We are the World“ ist die Hymne, die kurz vor dem Heimweg zusammenschweißt, was zuvor an motivierenden Aufrufen für das Gute an und für sich ins Publikum ging. Letztendlich bleibt die Frage offen, ob Kitsch Kitsch genannt werden darf, wenn er von Herzen kommt und rundum segensreich gemeint ist.

Auf jeden Fall entlässt Belafonte-Williams sein Publikum nachhaltig beschwingt. „Matilda“, dem wilden Mädchen, das mit gemopstem Geld in Richtung Sonnenschein verschwindet, kann nämlich wirklich niemand widerstehen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare