Statt Tapeten: Fürther Hotel holt Streetart-Künstler

19.3.2018, 16:00 Uhr
Statt Tapeten: Fürther Hotel holt Streetart-Künstler

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

Der Brasilianer Zezão, Jahrgang 1971, ist gewissermaßen ein ideeller Sohn des "Sprayers von Zürich". Vor 40 Jahren hatte dieser zunächst Unbekannte die Schweiz in Aufregung versetzt, indem er nachts kahle Wände in Zürichs Straßen mit merkwürdig stilisierten Strichmännchen aus der Spraydose versah. Für die meisten war das eine Freveltat und Schmiererei, die es zu überstreichen galt; für andere war es Kunst und Protest zugleich.

Harald Naegeli wurde schließlich gefasst und wanderte — trotz prominenter Fürsprache — wegen Sachbeschädigung für sechs Monate ins Gefängnis. Heute gilt Naegeli als Mitbegründer der Streetart, und Zürich restauriert die wenigen von ihm erhaltenen Graffiti. Auch Zezão verziert trostlose Fassaden und Betonklötze in seiner Heimat mit Kunst aus der Dose, mit "Flops", wie er sie nennt.

Kann verwegene Besprühung hässliche Gebäude aufwerten? Oder dient trostlose Architektur als ideale Folie für die ausgefallene Kunst? Wie dem auch sei, die Hotelkette Niu setzt auf konstanten Komfort bei individueller thematischer Gestaltung und Hauskunst.

Niu steht für drei Schlagworte

Statt Tapeten: Fürther Hotel holt Streetart-Künstler

Niu, das klingt wie die deutsche Aussprache des englischen Worts "new" (neu). Das sei durchaus beabsichtigt, sagt Pressesprecher Carsten Hennig. Niu sei aber auch das Akronym für "nachhaltig, inspirierend und urban". Was wenig verwundert, ist "nachhaltig" doch zurzeit eine Lieblingsfloskel vieler Werbetexte.

Die Arbeiten zur Inneneinrichtung des Hotels in der Gebhardtstraße befinden sich gerade in den letzten Zügen. Die Fertigstellung ist für Ende März oder Anfang April anvisiert. Jedes Zimmer beinhalte ein gut gepolstertes Doppelbett, schalldichte Fenster sowie einen Flachbildschirm mit Bluetooth-Box, zählt Pressesprecher Hennig auf.

Ein Ritter im Zimmer

Und was assoziieren Fürth-Besucher und damit potenzielle Hotelgäste mit der Kleeblattstadt? Niu glaubt das Mittelalter, verkörpert durch Ritter in Rüstung. Deshalb prangt in jedem Zimmer in Fürth ein riesiges Bild von einem geharnischten Ritter mit gezücktem Schwert. Dazu gibt es eine Truhe aus rohem Holz und einen lederbezogenen Hocker.

Dieser Rustikalität steht Zezãos Streetart freilich konträr gegenüber: Die Graffiti in den langgestreckten Korridoren bestehen aus grünen, türkisen und violetten Nebeln, Wolken, Kringeln und Punkten sowie Gitterwerken, die zusammen eine Wellenbewegung vollführen.

Was das mit Fürth und dem Mittelalter zu tun hat? Gar nichts. Und genau das soll dem Haus seinen Witz verleihen. Für die männlichen Gäste hält es eine weitere Überraschung bereit: Wer im Erdgeschoss die Männertoilette besucht, steht dort an den Urinalbecken drei Herren in voller Ritterrüstung gegenüber.

Die Niu-Hotels sind ein Unternehmen der Novum Hospitality GmbH. Das weltweit erste Niu-Hotel hat erst am 1. Februar in Essen eröffnet. Jedes Haus solle vom Namen bis zum Interieur individuell und originell die lokalen Besonderheiten des Standorts reflektieren, erläutert das Unternehmen. Im Ruhrpott wurde dafür etwa die Stückkohle (Cobbles) ausgewählt. Bis 2021 sollen nach diesem Konzept europaweit über 40 Hotels eröffnen.

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